Mit 8557,86 Punkten hat der DAX am 22. Mai 2013 erneut ein neues Rekordhoch erklommen. Für die meisten Aktionäre ist also alles in Butter – sollte man zumindest meinen. Doch die Realität sieht anders aus. Von den 30 DAX-Titeln notieren zwölf Gesellschaften um mehr als 50 Prozent unterhalb ihres Rekordhochs. Immerhin: Mit Blick auf die Entfernung zum 52-Wochen-Hoch hellt sich das Bild deutlich auf. Knapp drei Viertel der DAX-Aktien halten einen Abstand von maximal zehn Prozent zu ihrem Top-Stand der vergangenen zwölf Monate. Doch warum schneiden viele DAX-Werte mit Blick auf das All-Time-High eigentlich so schlecht ab?
Um das zu verstehen, ist ein Blick in den Bauplan des DAX nötig. Im Gegensatz zu bekannten Kursindizes, wie zum Beispiel Dow Jones, S&P 500 oder dem Euro Stoxx 50 ist der DAX ein Performance-Index. Das heißt: Ihm werden Dividendenausschüttungen gutgeschrieben. Als etwa die Aktie der
Deutschen Telekom am 17. Mai 2013 „exD“, also mit Dividendenabschlag gehandelt wurde, hat das den DAX gänzlich unberührt gelassen. Dabei bedeuteten die 0,70 Euro ein Minus von 7,5 Prozent für die T-Aktie. Ein „normaler“ Kursverlust in dieser Größenordnung bei der Deutschen Telekom würde den DAX hingehen ungefähr 25 Punkte kosten. Seit dem Börsengang Ende 1996 hat die Deutsche Telekom insgesamt 15 Mal eine Dividende gezahlt. Anleger, die den Titel die ganze Zeit im Depot hatten, bekamen insgesamt 9,64 Euro (brutto) pro T-Aktie überwiesen. Gemessen am Rekordhoch von 104,90 Euro aus dem März 2000 macht das den Kohl zwar auch nicht mehr fett. Doch es gibt etliche Aktien, bei denen man die Dividende für einen sauberen Vergleich der Kursentwicklung berücksichtigen sollte.
Prominentes Beispiel ist
Daimler. Zurzeit bewegt sich der Titel in unmittelbarer Nähe seines 52-Wochen-Hochs. Mit Blick auf die Rekordmarke von fast 110 Euro aus dem Mai 1998 sieht der Automobilhersteller mit einem Minus von fast 55 Prozent hingegen wie ein ordentlicher Kapitalvernichter aus. Inklusive der steuerlich induzierten Sonderausschüttung von 20 D-Mark pro Aktie von 1998 hat Daimler seit dem Kursrekord addiert 34,62 Euro Dividende pro Anteilschein ausgekehrt. Sattelt man diesen Bruttobetrag auf den aktuellen Daimler-Kurs drauf, ergäbe sich eine Entfernung von „nur“ noch 22 Prozent zum All-Time-High.
Jeweils um knapp drei Viertel von ihren absoluten Höchstständen entfernt sind die beiden Stromversorger-Aktien
RWE und
Eon. Ein Großteil des Kursdesasters geht sicherlich auf die finanziellen Belastungen durch die Energiewende zurück. Anleger, die das Pech hatten, genau auf dem Hoch einzusteigen und bis heute dabei sind, haben allerdings noch Dividenden von 18,65 Euro pro RWE-Aktie bzw. 6,87 Euro je Eon-Anteilschein kassiert. Inklusive dieser Zahlungen reduziert sich das Kursminus bei RWE auf 55 Prozent, bei Eon auf 61 Prozent. Unter Berücksichtigung von Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag ist der Verlust freilich noch größer, denn von jedem Euro gezahlter Dividende darf der Anleger nämlich nur 0,736 Euro behalten, den Rest kassiert der Fiskus.
Am dichtesten vor dem Kursgipfel der vergangenen 52 Wochen befinden sich die Aktien des Automobilzulieferers Continental, Allianz, Deutsche Post, Daimler, Adidas, Linde und Henkel. Anleger, die nach der jüngsten Kursrally auf der Suche nach Nachzüglern sind, werden diese Titel also kaum favorisieren. Die rote Laterne halten in dieser Disziplin die Commerzbank, RWE und Eon, Thyssen Krupp, K+S und Lanxess. Aber auch die lange Zeit erfolgsverwöhnten Anleger von Fresenius Medical Care mussten zuletzt mit ansehen, wie der DAX an ihnen vorbeiflog. Aufholpotenzial hätten unter diesem Aspekt außerdem die Papiere von der Deutschen Börse AG, Siemens und Infineon.
Wie groß der Einfluss der Ausschüttungen auf den Indexstand ist, zeigt ein Blick auf den
DAX-Kursindex (WKN: 846744). Mit rund 4465 Punkten notiert der kleine DAX-Bruder, bei dem Dividenden voll zu Buche schlagen, noch signifikant unter dem Rekordstand von 6233 Punkten vom 7. März 2000. Das ist ein Minus von knapp 29 Prozent. Damit schneidet er allerdings noch immer wesentlich besser ab als der Euro Stoxx 50. Das europäische Auswahlbarometer liegt um fast 50 Prozent unter seinem Rekordhoch von 5464 Punkten aus dem März 2000. Und selbst auf das Vor-Finanzkrisen-Niveau von 4557 Zählern vom Juli 2007 hat der Euro Stoxx 50 einen Discount von 38 Prozent. Fazit: Der Gipfelsturm des DAX hängt maßgeblich an der Einbeziehung der Dividenden - immerhin knapp 4000 Punkte gehen auf das Dividenden-Konto. Wer den DAX mit internationalen Auswahlbarometern vergleicht, sollte stets besser den DAX-Kursindex heranziehen. Und vielleicht nimmt der Indexstand des kleinen DAX-Bruders ja auch ein wenig von der Höhenangst auf dem aktuellen Niveau. Zur besseren Orientierung hat boersengefluester.de für alle DAX-Werte die jemals erreichten Rekordkurse sowie die Bestmarken auf 52-Wochen-Sicht zusammengetragen.
Die komplette DAX-Tabelle finden Sie hier.
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