Nach knapp 100 Tagen war es schon wieder so weit: Die Notiz der
Twintec-Aktie rutschte zurück ins Penny-Stock-Terrain. Weder die per saldo ganz anständigen Halbjahreszahlen noch die Kaufen-Studie von
Close Brothers Seydler – mit einem von 1,30 auf 1,80 Euro erhöhten Kursziel – vermochten daran etwas zu ändern. Dabei strotzte die Aktie des Spezialisten für die Abgasnachbearbeitung im Sommer noch so vor Kraft und zog innerhalb von nur zwei Monaten von 0,88 auf 1,60 Euro gen Norden. In der Spitze kletterte die Marktkapitalisierung des in Königswinter beheimateten Unternehmens damit auf 53 Mio. Euro – bei sehr ansehnlichen Handelsumsätzen. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass die früher prima als Hersteller von Nachrüstfiltern für Autos bekannte Firma, vor nicht allzu langer Zeit mit dem Rücken zur Wand stand. Mit neuen Großaktionären und der mittlerweile zu 100 Prozent zu Twintec gehörenden Schweizer
Baumot AG hat die Gesellschaft jedoch den Schalter umgelegt. Twintec strebt verstärkt in das Erstausrüstergeschäft (OEM) und setzt den Schwerpunkt auf Bau- und Landmaschinen. Bereits im laufenden Jahr soll das OEM-Geschäft rund ein Drittel der Erlöse stellen. Vor zwei Jahren waren es nicht einmal zwei Prozent.
Das Interesse der Börsianer an der Turnaroundstory Twintec ist dabei erstaunlich groß. Im trendigen Frankfurter Jumeirah Hotel präsentierte Vorstandschef Marcus Hausser am 17. Oktober vor immerhin rund 15 Analysten, Investoren und anderen Börsenprofis. Oberstes Ziel: Die „neue“ Twintec vorstellen. Längst nicht alle der anwesenden Kapitalmarktexperten haben den Titel nämlich in ihrem Coverage-Universum. Dabei hat Hausser eine knackige Wachstumsstory im Köcher. Bis 2018 soll der Umsatz auf 100 Mio. Euro klettern – bei einer EBITDA-Marge von zehn Prozent. Zur Einordnung: Im laufenden Jahr rechnet Twintec mit Erlösen von gut 28 Mio. Euro und einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 2,2 Mio. Euro. „Unser Trigger sind ganz klar die immer schärferen gesetzlichen Abgasvorschriften – nicht nur für Autos“, sagt Hausser. Das ist kein rein deutsches Phänomen. Wichtige internationale Märkte für Twintec sind die USA, China, Schweiz, Italien, England, Polen oder auch die Türkei.
Die Kapitalausstattung bezeichnet Hausser mittlerweile als „sehr solide“, zumindest für Twintec-Verhältnisse. Ende Juli gab es eine kleinere Kapitalerhöhung, die brutto 1,38 Mio. Euro einbrachte. Kurzfristig steht jedenfalls keine weitere Finanzierungsrunde an, wie Hausser in Frankfurt betonte. Zum Halbjahr stand in der Bilanz noch eine Nettofinanzverschuldung von knapp 3,8 Mio. Euro. Die Größenordnung entspricht rund 21 Prozent Eigenkapitals von 18,1 Mio. Euro, wobei die Eigenmittel knapp 61 Prozent der Bilanzsumme ausmachen. Beim Blick auf die GuV (Gewinn- und Verlustrechnung) werden im laufenden Jahr trotz des positiven EBITDA noch einmal deutlich rote Zahlen anfallen. Hauptgrund sind Abschreibungen auf die Erstkonsolidierierung der Baumot AG.
Wichtigster Wettbewerber von Twintec ist die Firma
HJS Emission Technology aus Menden im Sauerland. Das mittelständische Unternehmen ist zwar nicht börsennotiert, mit insgesamt rund 450 Mitarbeitern hat HJS aber viel Manpower, viel mehr als Twintec besitzt. Bei dem Small Cap standen zuletzt gerade einmal 68 Leute auf der Gehaltsliste. Und damit ist auch schon klar, dass die Twintec-Aktie ein heißes Eisen ist. Technologisch mögen die Produkte von Twintec wie das B-NOx-System, mit dem sich auch die schärfsten Abgasregelungen einhalten lassen, top sein. Beim Erstausrüstergeschäft steht Twintec aber regelmäßig sehr großen, weltweit tätigen Playern gegenüber. Solche Ungleichgewichte bringen regelmäßig auch Risiken mit sich. Andere Unternehmen wie zum Beispiel
Hug Engineering – die Schweizer stellen Abgasreinigungssysteme für alle möglichen Einsatzgebiete vom Bagger bis zum Hochseeschiff her – sind nicht mehr eigenständig. Hug gehört seit Mai 2011 mehrheitlich zum MDAX-Konzern
ElringKlinger.
Kursmäßig befindet sich Twintec an einer wichtigen Schwelle. Sollte der Bereich um die 1-Euro-Marke halten, kann es schnell auch wieder deutlich aufwärts gehen. Das Potenzial hat Close-Brothers-Analyst Daniel Kukalj mit seinem Kursziel von 1,80 Euro vorgezeigt. Doch da ist viel Zukunftsmusik drin. Mit Blick auf das KGV ist der Titel ohnehin schwer zu greifen. Und das wird wohl auch noch eine Zeit so bleiben. Letztlich muss Twintec den schwierigen Spagat zwischen Turnaroundwert und Wachstumsstory hinbekommen. Unabhängig davon: Firmenlenker Hausser wäre zunächst einmal zufrieden, wenn die Notiz sich wieder Richtung 1,20/1,30 Euro bewegt. Und gemessen am gegenwärtigen Niveau wären das ja bereits bis zu 30 Prozent Potenzial. Risikobereite Investoren können mit angemessenem Depotanteil drauf setzen, dass der Aktienkurs wieder nach oben dreht.
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