Aufmerksamen Lesern von boersengefluester.de ist es vielleicht schon vor einigen Tagen aufgefallen. Mit der Aktie von Nyxoah haben wir zuletzt ein hoch spannendes Unternehmen aus Belgien neu in unsere Datenbank aufgenommen. Das Medtech-Unternehmen ist im Bereich obstruktiver Schlafapnoe – also gefährlicher Atemaussetzer während des Schlafs – unterwegs. In Europa sind die Produkte von Nyxoah bereits erhältlich, nun stehen die Vereinigten Staaten auf der Agenda. Im Interview erklärt CEO Olivier Talman sehr ausführlich, was die Equity Story von Nyxoah genau ausmacht, wie die Finanzierung aussieht und welche operativen Schritte das Unternehmen momentan forciert.
Herr Taelman, vielen Anlegern in Deutschland ist Nyxoah noch eher unbekannt, auch wenn hier aktuell Ihr wichtigster Markt ist. Stellen Sie Nyxoah doch bitte einmal in wenigen Sätzen kompakt vor.
Olivier Taelman: Sehr gern. Nyxoah ist ein 2009 gegründetes belgisches Medtech-Unternehmen. Seit 2020 sind wir an der Euronext in Belgien und seit 2021 an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet. Unsere Mission ist es, Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe, kurz OSA genannt, wieder zu einem gesunden Schlaf zu verhelfen und das mit einer einfach anwendbaren und patientenzentrierten Behandlung, die auf Neurostimulation basiert. Dazu haben wir unser Genio-System entwickelt. Genio ist CE-zertifiziert und seit 2020 in Europa verfügbar. In Deutschland, unserem bisher größten Markt, wird unser zukunftsweisendes Produkt bereits in vielen Hals-Nasen-Ohren-Kliniken eingesetzt. In den USA erwarten wir bereits Ende des laufenden Jahres die Zulassung.
Obstruktive Schlafapnoe ist mehr als nur Schnarchen und überraschend weit verbreitet. Warum ist die Behandlung so wichtig, und welche Therapie-Optionen gibt es?
Olivier Taelman: Sie haben ganz recht. Obstruktive Schlafapnoe ist eine ernsthafte Atmungsstörung. Bei den betroffenen Patienten fällt die Zunge im Schlaf nach hinten und blockiert so den Rachen. Die oberen Atemwege werden dadurch teilweise oder vollständig verschlossen, und es entstehen Atmungsaussetzer, sogenannte Apnoen, die das Gleichgewicht von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Körper stören. Daraus folgen teilweise schwerwiegende Begleiterkrankungen wie Depressionen, Diabetes, Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Aktuell bekommen die Patienten meist eine sogenannte CPAP-Therapie, das steht für Continuous Positive Airway Pressure. Dabei wird mithilfe eines Geräts und einer Maske während des Schlafs Luft durch die oberen Atemwege gepresst, um so die Atmungsaussetzer zu verhindern. Allerdings verträgt etwa die Hälfte der Patienten diese Art der Therapie nicht gut und bricht sie deshalb vorzeitig ab. Grund dafür ist der fehlende Komfort dieser Masken beim Schlafen.
Genio behandelt die Erkrankung mit Hilfe von Neurostimulation. Bitte erklären Sie kurz, wie die Technologie funktioniert. Was unterscheidet Genio von herkömmlichen Behandlungsmethoden?
Olivier Taelman: Unser Genio-System ist eine Zwei-Komponenten-Lösung aus einem winzigen implantierbaren Neurostimulator und einem externen Wearable, also einer tragbaren Komponente: dem Aktivierungs-Chip. Der Neurostimulator wird durch einen kleinen chirurgischen Schnitt in einem kurzen Eingriff unter dem Kinn implantiert. Jede Nacht, wenn der Patient zu Bett geht, fixiert er den externen Chip mit Hilfe eines Pflasters als Wearable unter seinem Kinn und aktiviert so den Neurostimulator. Während des Schlafs bewirkt diese Stimulation kleine Vorwärtsbewegungen des Zungenrückens, wodurch verhindert wird, dass die Zunge die oberen Atemwege blockiert. Natürlich muss das Wearable tagsüber nicht getragen werden. Stattdessen wird es während dieser Zeit innerhalb nur weniger Stunden aufgeladen. Den Therapieverlauf kann der Patient jederzeit bequem mithilfe einer speziellen App kontrollieren. Da unser Implantat keine Kabel oder Batterien enthält, kann das Genio-System ohne weitere chirurgische Eingriffe auf die neueste Version aufgerüstet werden. Insgesamt schätzen die Patienten die Anwendungsfreundlichkeit und den Komfort unseres innovativen Systems sehr, weshalb wir eine Therapietreue von 85 Prozent vorweisen können.
In Europa ist Genio bereits erhältlich. Warum ist gerade der deutsche Markt für Nyxoah als belgisches Unternehmen so wichtig? Wie viel Umsatz machen Sie hier?
Olivier Taelman: In Deutschland leiden mehr als 14 Millionen Menschen unter der obstruktiven Schlafapnoe. Allerdings werden nur etwa 25 Prozent diagnostiziert, was bedeutet, dass OSA weitgehend unterbehandelt wird. Unser innovatives Neurostimulationssystem wird bereits in mehr als 50 HNO-Zentren eingesetzt. Hinzu kommt, dass Genio in Deutschland von gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird. Haben Sie aber bitte Verständnis dafür, dass wir keine Umsatzzahlen auf Länderebene bekanntgeben. Insgesamt können wir jedoch sagen, dass wir im ersten Halbjahr dieses Jahres ein Umsatzwachstum von 2 Mio. Euro erzielt haben. Dies entspricht einem Plus von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Darüber hinaus haben Sie den US-Markt fest im Blick. Im Frühjahr 2024 haben Sie bekannt gegeben, dass Ihre pivotale DREAM-Studie ihre primären Endpunkte erreicht hat. Können Sie uns die Studie etwas näher vorstellen?
Olivier Taelman: Unsere US-Zulassungsstudie „DREAM“ wurde mit 115 Patienten in einem Behandlungszeitraum von zwölf Monaten durchgeführt. Tatsächlich konnten sämtliche primären und sekundären Endpunkte und damit eine deutliche Reduzierung des Schweregrads der Erkrankung bei den teilnehmenden Patienten erreicht werden. Die Studie zeigt insgesamt ein günstiges Sicherheitsprofil und eine hohe Therapietreue und belegt damit nicht zuletzt die Zufriedenheit der Patienten. Sie ist die erste Studie ihrer Art, die eine hohe Wirksamkeit unabhängig von der individuellen Schlafposition nachgewiesen hat. Unser Gerät passt sich also perfekt an die natürlichen Schlafgewohnheiten an und gewährleistet Komfort und einen guten Schlaf. Die starken Daten unserer DREAM-Studie bilden das Fundament unseres Antrags auf FDA-Zulassung in den USA. Ende September werden wir sie auf einer renommierten wissenschaftlichen Konferenz in Florida auch noch einmal im Detail vorstellen und mit der Fach-Community diskutieren.
Im Sommer 2024 haben Sie das letzte Modul des Zulassungsantrags bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA eingereicht. Was sind die nächsten Schritte für die USA? Wie bewerten Sie das Marktpotenzial in den Vereinten Staaten?
Olivier Taelman: Die USA sind der weltweit größte Markt für OSA. Hier sind rund 39 Millionen Patienten betroffen. Wie gerade schon kurz erwähnt, haben wir im Frühjahr die sehr positiven Daten unserer DREAM-Studie bekannt gegeben. Auf dieser Grundlage haben wir das vierte und letzte Modul unseres Zulassungsantrags bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde abgeschlossen und eingereicht. Bisher läuft alles wie geplant. Anhand der allgemeinen Fristen für eine Prüfung durch die FDA rechnen wir aktuell mit der Zulassung Ende 2024. Gleichzeitig bereiten wir uns auf die Markteinführung und Kommerzialisierung von Genio Anfang 2025 vor. Dazu haben wir ein schlagkräftiges Vertriebsteam in den USA zusammengestellt und freuen uns, Scott Holstine als neuen Chief Commercial Officer für die Leitung der Vertriebsaktivitäten in den USA an Bord zu haben. Er bringt mehr als 25 Jahre an Erfahrung in der Medizinbranche mit und hat bereits mehrere Produkte sehr erfolgreich auf dem US-Markt eingeführt.
Die Aktien von Nyxoah werden sowohl an der Euronext Brüssel als auch an der Nasdaq in den USA gehandelt. Das hatten Sie bereits gesagt. Aber was sind die Hintergründe dieses Duallistings?
Olivier Taelman: Mit unserem Hauptsitz in Brüssel war unser erstes Ziel, dort, also an unserem Heimatmarkt, an der Euronext gelistet zu sein. Gleichzeitig ist die USA aber der größte Markt im Life-Sciences-Bereich. Die Breite und Tiefe der auf diesen Sektor spezialisierten Investoren ist unübertroffen. Um uns den Zugang zu diesem Kapitalmarkt zu sichern, ist es wichtig, vor Ort an der Nasdaq gelistet zu sein.
Nyxoah hat in diesem Jahr insgesamt 86 Millionen Euro an frischem Kapital eingenommen: 48,5 Mio. Euro im Rahmen einer Kapitalerhöhung und 37,5 Mio. Euro durch eine Darlehensvereinbarung mit der Europäischen Investitionsbank. Bis wann sind Sie mit diesen Mitteln durchfinanziert, und wofür werden Sie sie verwenden?
Olivier Taelman: Mit dem Erlös aus der Kapitalerhöhung haben wir die Kommerzialisierung von Genio in den USA vollständig finanziert. Wir erwarten ja in den kommenden Monaten die Zulassung durch die FDA und bauen deshalb im Moment aktiv unsere Vertriebsorganisation in den USA auf. Darüber hinaus treiben wir die weitere Produktentwicklung und die klinische Forschung voran. Mit den aktuellen Mitteln sind wir bis Mitte 2026 gut aufgestellt.
The most important financial data at a glance | ||||||||
2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | ||
Sales1 | 0,00 | 0,00 | 0,07 | 0,85 | 3,08 | 4,35 | 5,20 | |
EBITDA1,2 | -8,36 | -7,29 | -10,60 | -25,46 | -31,38 | -43,70 | -51,00 | |
EBITDA-margin3 | 0,00 | 0,00 | -15.142,86 | -2.995,29 | -1.018,83 | -1.004,60 | -980,77 | |
EBIT1,4 | -8,45 | -7,72 | -11,22 | -26,24 | -32,50 | -45,10 | -55,00 | |
EBIT-margin5 | 0,00 | 0,00 | -16.028,57 | -3.087,06 | -1.055,20 | -1.036,78 | -1.057,69 | |
Net profit1 | -9,08 | -8,45 | -12,25 | -27,62 | -31,23 | -43,21 | -60,00 | |
Net-margin6 | 0,00 | 0,00 | -17.500,00 | -3.249,41 | -1.013,96 | -993,33 | -1.153,85 | |
Cashflow1,7 | -8,14 | -5,97 | -7,02 | -25,34 | -28,76 | -44,78 | -40,00 | |
Earnings per share8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | -1,75 | |
Dividend per share8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
Sie haben im zweiten Quartal 2024 etwa 13 Mio. Euro Verlust gemacht. Wann können Investoren mit einem Sprung in die Gewinnzone rechnen?
Olivier Taelman: Da dies von einer Reihe verschiedener Faktoren abhängt, bitten wir um Verständnis, dass wir dazu öffentlich noch keine Prognose abgeben können.
Nach der geplanten Markteinführung in den USA: Welche Meilensteine sollen folgen?
Olivier Taelman: Wir werden unsere Technologie in den USA auf eine schwere Form der OSA ausweiten, und zwar auf den sogenannten komplett konzentrischen Kollaps im Weichgaumen. Für Betroffene gibt es bisher nur die Option einer komplizierten Operation, da alternative Neurostimulationstherapien kontraindiziert sind. In Europa ist Genio hier die einzige Neurostimulationstechnologie, die für diese schwere Form der OSA bereits zugelassen ist, und in den USA läuft auch schon eine einjährige Zulassungsstudie dazu. Außerdem sind wir eine exklusive Partnerschaft mit der renommierten Vanderbilt University in den USA eingegangen. Gemeinsam wollen ein Next-Generation-Produkt zur Stimulation der Ansa cervicalis entwickeln. Hierbei handelt es sich um eine alternative Neurostimulationsstrategie zur Behandlung von OSA, die vielversprechende Ergebnisse gezeigt hat. Wir könnten damit mehr Patienten behandeln und unser Marktpotential auszubauen.
Angesichts der GLP-1-Daten von Eli Lilly, glauben Sie, dass künftig weniger Patienten eine Therapie gegen OSA benötigen werden?
Olivier Taelman: Vielleicht eine kurze Erläuterung vorab: GLP-1 wird gerade viel diskutiert, da das Hormon in den sogenannten „Abnehmspritzen“ eingesetzt wird, um Typ-2-Diabetes zu behandeln, aber auch stark übergewichtigen Patienten beim Abnehmen zu helfen. In der kürzlich veröffentlichten Studie wurden Patienten mit GLP-1 behandelt, die einen hohen Body-Mass-Index, kurz BMI, von fast 40 aufwiesen. Ihr Apnoe-Hypopnoe-Index oder auch AHI, der eine zentrale Rolle bei der Diagnose von schlafbezogenen Atmungsstörungen wie OSA spielt, lag bei nahezu 50. Hier zeigt sich also der Zusammenhang zwischen Adipositas und Schlafapnoe.
Wir glauben, dass eine Therapie mit GLP-1 einen positiven Effekt auf die für Genio relevante Patientengruppe haben wird. Denn Patienten mit einem BMI von 40 oder mehr könnten ihren BMI mit GLP-1 um 20 bis 30 Prozent senken – sagen wir auf etwa 25 bis 35 Prozent. Dies ist genau der Bereich, für den es klinische Daten zur Stimulation des Hypoglossusnervs gibt und in dem die höchste Wirksamkeit unseres Produkts gezeigt werden konnte. Wir gehen deshalb davon aus, dass uns durch GLP-1 viele neue Patienten erreichen werden, die an obstruktiver Schlafapnoe leiden und für eine Behandlung mit Genio in Frage kommen.
INVESTOR-INFORMATION | ||||||
©boersengefluester.de | ||||||
Nyxoah | ||||||
WKN | ISIN | Legal Type | Marketcap | IPO | Recommendation | Located |
A2QCWK | BE0974358906 | SA | 311,08 Mio € | 09.09.2020 |
Was ist Ihre langfristige Vision für das Unternehmen?
Olivier Taelman: Unser erklärtes Ziel ist es, ein weltweit führendes Unternehmen für die Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe und verwandter Indikationen zu werden. Unsere Produktentwicklungen treiben wir immer mit dem Blick für den größtmöglichen Nutzen für unsere Patienten voran. Zunächst in den USA und bald darauf auch in Europa werden wir eine aktualisierte Version unserer Technologie auf den Markt bringen – ein „Implant for Life”, also ein Implantat, das möglichst ein Leben lang hält mit einer Lebensdauer von mindestens 25 Jahren. Für die US-Version werden wir im weiteren Verlauf des kommenden Jahres auch das Pflaster verkleinern und seine ergonomische Form optimieren - für noch mehr Tragekomfort und eine noch bessere Anpassung an das individuelle Schlafverhalten. Außerdem wird unsere App, mit der die Therapie selbstständig vom Patienten kontrolliert und nachverfolgt werden kann, kontinuierlich ausgebaut und verbessert.
Und wenn Sie noch ein wenig weiter nach vorn schauen?
Olivier Taelman: Für 2030 ist unsere Vision unter anderem, das Produkt noch benutzerfreundlicher und einfacher in der Handhabung zu machen und damit klarer Innovationsführer in der Neurostimulationstechnologie für OSA zu bleiben. Dazu wollen wir beispielsweise erreichen, dass das externe Wearable nicht mehr notwendig ist. Der Aktivierungschip könnte dann in das Kopfkissen integriert werden, und eine Stromquelle auf dem Nachttisch würde detektieren, wann der Patient schläft und den Neurostimulator automatisch aktivieren.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Taelman!
Olivier Taelman ist eine erfahrene Führungspersönlichkeit im Bereich Medizintechnik. Er kam im Juli 2019 als Chief Operating and Commercial Officer zu Nyxoah und wurde im November 2019 zum CEO ernannt. Olivier Taelman war sieben Jahre lang im kommerziellen Gesundheitswesen bei Eli Lilly und Sanofi Aventis tätig und leitete spezifische Geschäftsbereiche. Er verbrachte 15 Jahre im Bereich der Neuromodulation bei Medtronic, leitete die EMEA bei Stryker NeuroVascular und war für das Neuromodulationsunternehmen Nevro tätig, wo er für den Aufbau des europäischen Geschäfts während des erfolgreichen NASDAQ-Börsengangs verantwortlich war.
Fotos: Nyxoah SA