Ziemlich genau 60 Minuten hat die digitale Investorenpräsentation von Intershop Communications auf der mwb-Plattform gedauert. 60 Minuten Zeit, um für die noch bis zum 22. September 2025 laufende Barkapitalerhöhung zu werben, durch die Intershop netto bis zu 4,3 Mio. Euro einnehmen will. Bei voller Platzierung würde sich das Aktienkapital des auf E-Commerce-Software spezialisierten Unternehmens um 30 Prozent auf 18.956.975 Euro erhöhen. Nun: Der mit 1,00 Euro am untersten Rand des rechtlich überhaupt möglichen Ausgabepreises gewählte Bezugskurs sagt bereits sehr viel über den Zustand von Intershop aus. Nach durchweg enttäuschenden Halbjahreszahlen und einem nicht enden wollenden Abnahmeprozess eines Großprojekts, was im schlimmsten Fall sogar arg an die Substanz gehen könnte, musste der damalige CEO Markus Klahn sogar seinen Hut nehmen. Übernommen hat seine Position der bis dahin als COO agierende Markus Dränert.
Entsprechend ist die mwb-Präsentation – zumindest soweit boersengefluester.de es überblicken kann – auch der erste öffentliche Investorenauftritt von Dränert als CEO von Intershop Communications. Seine Botschaft ist klar: „Wir kommen in eine neue Ära. AI ist der Kern unserer Strategie.“ Anspruch ist es, nicht weniger als die führende AI-getriebene E-Commerce-Plattform zu sein. Entsprechend soll ein signifikanter Part des Mittelzuflusses in die strategische Weiterentwicklung der Softwaretools rund um Künstliche Intelligenz (AI) fließen. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Anfang 2022 übernommene niederländische Technologiefirma SPARQUE.AI. Weitere Zukäufe sind erstmal nicht geplant. „Wir setzen auf Produktpartnerschaften. Das ist kostenschonender und flexibler“, sagt Dränert. Weit weniger attraktiv aus Investorensicht ist derweil, dass der Großteil der avisierten Emissionserlöse in die Umsetzung der kurzfristigen Kosteneinsparungen fließt – sprich für Abfindungen und ähnliche Dinge draufgeht. Last but not least gilt es, die Finanzierung der mittlerweile zurückgezahlten Optionsanleihe zu stemmen.
Immerhin: Die drei gepoolten Ankeraktionäre Shareholder Value Beteiligungen AG, Value Focus Beteiligungs GmbH und Sachs Assets GmbH – auf die Gruppe entfallen 34,72 Prozent der Aktien – haben bereits zugesichert, dass sie ihre Bezugsrechte voll ausüben und darüber bei der anschließenden Privatplatzierung sämtliche übrig gebliebenen Stücke übernehmen. Sollte tatsächlich keiner der bisherigen Streubesitzaktionäre bei der Kapitalerhöhung mitziehen, was allerdings ungewöhnlich wäre, würde der Freefloat von derzeit 46,69 Prozent auf 35,92 Prozent sinken. Tatsächlich der zurzeit größte Unsicherheitsfaktor abseits des immer noch zähen operativen Geschäfts ist die Abwicklung des Großprojekts, das auch die jüngste Gewinnwarnung notwendig machte. Zwar betont CFO Petra Stappenbeck, dass es hier mittlerweile deutliche Fortschritte gibt und das Projekt dem Vernehmen nach im zweiten Halbjahr 2025 abgeschlossen werden soll. Die in dem Informationsdokument zur laufenden Kapitalerhöhung unter Punkt 2 (Seite 4/5) beschriebenen potenziellen Risiken aus dem vor bereits 2,5 Jahren angefangenen Großprojekt haben es aber in sich und könnten im schlimmsten Fall nochmals zu erheblichen Belastungen für die Gesellschaft führen.
The most important financial data at a glance
2019
2020
2021
2022
2023
2024
2025
Sales1
31,62
33,61
36,00
36,80
37,99
38,76
33,75
EBITDA1,2
-2,32
4,47
4,42
0,42
0,87
3,29
1,40
EBITDA-margin %3
-7,34
13,30
12,28
1,14
2,29
8,49
4,15
EBIT1,4
-6,47
1,04
1,31
-2,87
-2,53
0,07
-1,85
EBIT-margin %5
-20,46
3,09
3,64
-7,80
-6,66
0,18
-5,48
Net profit1
-6,77
0,79
0,81
-3,56
-3,08
-0,35
-2,30
Net-margin %6
-21,41
2,35
2,25
-9,67
-8,11
-0,90
-6,82
Cashflow1,7
-1,82
4,72
4,60
1,16
2,95
2,11
2,70
Earnings per share8
-0,17
0,06
0,06
-0,25
-0,21
-0,02
-0,16
Dividend per share8
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
Insofern gilt es, die Entwicklung hier in den nächsten Quartals-Calls von Intershop ganz genau zu beobachten. Insofern wird der für den 22. Oktober 2025 angesetzte Q3-Zwischenbericht die nächste Bewährungsprobe. Losgelöst davon hat Finanzvorstand Petra Stappenbeck die Mitte Juli gestutzten Prognosen für das Gesamtjahr 2025 bestätigt. Demnach ist bei einem Umsatzrückgang zwischen 10 und 15 Prozent mit einem negativen EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) im unteren einstelligen Millionen-Euro-Bereich zu rechnen. Wichtig: Sämtliche Aufwendungen im Zusammenhang mit den Personalkürzungen sind hier bereits inkludiert. Spannend wird aber trotzdem, wie sich die vorzeitige Demission von Markus Klahn auf das Ergebnis auswirken wird.
Summa summarum ist der Bezugspreis von 1,00 Euro für die jungen Intershop-Aktien natürlich eine arge Belastung für das Chartbild. Perspektivisch gilt aber die Ansage von CEO Markus Dränert als Richtungsweiser: „Wir wollen mittelfristig zweistellige EBIT-Margen erzielen. Das ist das übergeordnete Ziel.“ Das wiederum würde dann so gar nicht zu einer Software-Firma mit einem hohen Anteil von Cloud-Umsätzen und Top-Ratings von den Analysehäusern aus dem Softwareumfeld passen. Hilft aber alles nichts: Intershop muss die PS auf die Straße bringen und das leidige Großprojekt auf der Implementierungsseite abschließen.
INVESTOR-INFORMATION
©boersengefluester.de
Intershop
WKN
ISIN
Legal Type
Marketcap
IPO
Recommendation
Located
A25421
DE000A254211
AG
17,50 Mio €
16.07.1998
Halten
Foto: Shutterstock