Fast 65 Prozent Kurspotenzial bietet zurzeit die Aktie der All For One Group – zumindest, wenn es nach den Analysten von Baader Helvea Equity Research geht. Die haben zuletzt nämlich ihr Kursziel von 76 Euro für den IT-Dienstleister rund um SAP-Lösungen bestätigt. Keine Frage: Mit dem Kursziel lehnt sich Baader vergleichsweise weit aus dem Fenster, immerhin musste auch die All For One Group zuletzt ihre Ziele für das am 30. September endende Geschäftsjahr 2024/25 herunterschrauben. „Das unsichere gesamtwirtschaftliche Umfeld führt bei zahlreichen Kunden dazu, dass Investitionen in die IT-Landschaft mitunter aufgeschoben oder aber zeitlich gestreckt werden“, heißt es in der offiziellen Meldung des Unternehmens aus Filderstadt.
Tatsächlich basiert die positive Einschätzung der Baader-Analysten auch darauf, dass die Aufträge nicht verloren, sondern nur verschoben sind. Immerhin sind umfangreiche Umstellungsprojekte auf die neue SAP-Software auch für viele größere Mittelständler unumgänglich. Hinzu kommt, dass es bei All For One – neben der grundsätzlichen Umstellung auf cloudbasierte Lösungen – zuletzt einige Sondereffekte gab, die künftig so nicht mehr anfallen. Insofern könnte sich für mittelfristig orientierte Investoren hier tatsächlich eine prima Chance auftun. Schließlich gehört die All For One Group zu den qualitativ hochwertigsten Unternehmen aus dem heimischen IT-Umfeld. Im Interview mit boersengefluester.de sagt CEO Michael Zitz, was zurzeit die größten Herausforderungen sind, welche Chancen sich bieten und welchen Einfluss KI für All For One hat.
Herr Zitz, der Umsatz der All for One Group lag in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahrs 2024/25 insgesamt und auch im dritten Quartal 2024/25 knapp über dem Vorjahreswert. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptgründe für das verhaltene Wachstum trotz einer weiterhin gut gefüllten Projektpipeline?
Michael Zitz: Die Zurückhaltung vieler Kunden bei Investitionsentscheidungen ist derzeit unser größter Bremsklotz. Geopolitische Unsicherheiten, ein drohender Handelskrieg sowie eine konjunkturell angespannte Lage in Mitteleuropa führen dazu, dass selbst strategisch relevante IT-Projekte hinausgezögert oder zeitlich gestreckt werden. Das betrifft auch ERP-Migrationen, obwohl das Interesse daran ungebrochen ist. Gleichzeitig vollziehen wir eine tiefgreifende Transformation unseres Geschäftsmodells – weg von einmaligen Lizenzverkäufen, hin zu langfristig stabileren Cloud-Abonnementmodellen und der langfristigen Begleitung der Kunden. Dieser Wandel wirkt sich kurzfristig dämpfend auf das Umsatzwachstum aus, ist aber strategisch richtig.
Ihr EBIT vor M&A-Effekten war in den ersten neun Monaten um 15 Prozent rückläufig. Welche Faktoren waren für diesen Rückgang entscheidend und wie wollen Sie die Profitabilität künftig wieder steigern?
Michael Zitz: Die rückläufige EBIT-Entwicklung resultiert primär aus temporären Effekten im ersten Halbjahr 2024/25, die wir mit einem Ergebnisanstieg um 19 Prozent im dritten Quartal nur teilweise ausgleichen konnten. Im Rahmen der Einführung des neuen Operating Modells – einer skalierbaren Matrix-Organisation, die es uns ermöglicht, einerseits unsere Internationalisierung effizient anzugehen und anderseits unsere Portfoliobereiche global ausrollen und skalieren zu können – fielen Einmaleffekte aus Abfindungen und Freistellungen an, die ergänzend zur geringeren Auslastung im Customer-Experience-Bereich das Ergebnis belasteten. Hinzu kamen verschobene Projektstarts, die sich direkt auf den Umsatz auswirken. Gleichzeitig investieren wir konsequent in unser globales Liefermodell, unsere Produktentwicklung und auch unser Team. Das sind gezielte Vorleistungen für künftiges Wachstum. Ohne Sondereffekte läge unsere EBIT-Marge vor M&A-Effekten bei 5,2 Prozent. Unser mittelfristiges Ziel bleibt eine nachhaltige Steigerung auf über 8 Prozent – und wir sind auf einem guten Weg dorthin. Denn dies macht uns wettbewerbsfähiger und wir kommen schneller in den gehobenen Mittelstand.
The most important financial data at a glance
2019
2020
2021
2022
2023
2024
2025
Sales1
359,22
355,39
372,94
452,65
487,95
511,41
513,00
EBITDA1,2
25,60
41,29
42,08
47,09
43,68
55,39
52,00
EBITDA-margin %3
7,13
11,62
11,28
10,40
8,95
10,83
10,14
EBIT1,4
12,60
19,29
20,63
17,60
14,91
28,41
25,50
EBIT-margin %5
3,51
5,43
5,53
3,89
3,06
5,56
4,97
Net profit1
13,10
13,08
13,52
11,04
11,20
18,32
16,70
Net-margin %6
3,65
3,68
3,63
2,44
2,30
3,58
3,26
Cashflow1,7
20,00
41,37
34,78
28,06
40,24
40,98
37,50
Earnings per share8
2,05
2,55
2,68
2,20
2,23
3,70
3,30
Dividend per share8
1,20
1,20
1,45
1,45
1,45
1,60
1,60
Sie sprechen von einer „umfassenden Pipeline, die Ihre starke Positionierung im SAP-Markt unterstreicht“. Wie sieht diese Pipeline konkret aus und was erwarten Sie daraus für die kommenden Quartale?
Michael Zitz: Unsere Pipeline ist breit aufgestellt und zeigt das große Interesse des Mittelstands an cloudbasierten ERP-Lösungen – über Branchen und Regionen hinweg. Besonders stark ist die Nachfrage im Bereich SAP S/4HANA-Transformationen, wo wir als #1-Partner in Mittel- und Osteuropa positioniert sind. Lösungen wie „RISE with SAP“ oder „GROW with SAP“ bilden dabei den Kern. Ergänzt wird dies durch integrierte Fachbereichslösungen, z. B. in der Personalwirtschaft, im Analytics-Umfeld oder im Vertrieb. Wir gehen davon aus, dass sich mit einer Stabilisierung der geopolitischen Lage auch das Beratungsgeschäft spürbar beleben wird. Die aktuellen Anfragen und die Pipeline spiegeln unsere hohe Beratungskompetenz in der Branche.
Mit der Cloud-Transformation wandeln Sie Ihr Geschäftsmodell grundlegend. Welche Herausforderungen bringt diese Umstellung mit sich und welche Vorteile versprechen Sie sich davon langfristig?
Michael Zitz: Der Wandel vom Lizenzvertrieb hin zu cloudbasierten Subskriptionsmodellen wie „RISE with SAP“ ist eine strategische Entscheidung und folgt der Strategie von SAP. Dabei gestalten wir den Wandel vom Lizenzvertrieb zu cloudbasierten Subskriptionsmodellen aktiv mit, weil wir davon überzeugt sind, dass dies der richtige Weg für die Zukunftsfähigkeit des Mittelstands ist. Während bisher der Großteil des Umsatzes bei Vertragsabschluss floss, verteilt er sich künftig über die gesamte Laufzeit mit positivem Effekt auf die Bruttomarge. Entsprechend sehen wir jetzt stärkere Umsatzrückgänge, die mit dem steigenden Anteil der Cloud-Lösungen sukzessive kompensiert werden. Vorteilhaft daran ist: planbare, wiederkehrende Umsätze mit mehr Marge, höhere Kundenbindung und bessere Skalierbarkeit. Schon jetzt machen wiederkehrende Erlöse mehr als 50 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus – ein Meilenstein auf dem Weg zu einem nachhaltig profitablen Geschäftsmodell. In der Übergangsphase geht dies mit einem nur moderaten Wachstum der Umsatzerlöse einher, im Gegenzug steigt die Visibilität für künftige Umsätze und Gewinne.
Der Bereich „Customer Experience“ entwickelte sich zuletzt unterdurchschnittlich. Was sind die Ursachen für die Schwäche in diesem Segment und wie wollen Sie gegensteuern?
Michael Zitz: Der Rückgang im Bereich Customer Experience (CX) ist im Wesentlichen darin begründet, dass viele Kunden sich derzeit auf notwendige ERP-Transformationen konzentrieren, während Erweiterungslösungen wie CX vorübergehend in den Hintergrund rücken. Zudem erwarten viele Kunden neue SAP-Produktgenerationen und die Integration von KI, was zusätzliche Zurückhaltung erzeugt. Wir reagieren mit gezielten Effizienzmaßnahmen und einer Fokussierung auf Bereiche mit höherem Nachfragepotenzial – etwa Analytics oder HR Experience. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass sich der Markt für Customer Experience mittelfristig erholen wird, nicht zuletzt durch neue Cloud-Angebote der SAP.
INVESTOR-INFORMATION
©boersengefluester.de
All for One Group
WKN
ISIN
Legal Type
Marketcap
IPO
Recommendation
Located
511000
DE0005110001
SE
230,17 Mio €
30.11.1998
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Sie haben zuletzt verstärkt auf Internationalisierung gesetzt. Welche Fortschritte sehen Sie hier und welche Rolle spielt Ihr bereits angesprochenes neues Operating Model dabei?
Michael Zitz: Unsere Internationalisierung nimmt zunehmend Fahrt auf. Wir haben unser Operating Model umgestellt und eine globale Matrixstruktur eingeführt, die klare Verantwortlichkeiten für Regionen und Geschäftseinheiten schafft. Das verbessert die Steuerung, erhöht unsere Skalierbarkeit und stärkt die Kundenzentrierung. Parallel investieren wir in unsere Nearshore-Delivery-Center, etwa in der Türkei und Ägypten. Diese sorgen für Flexibilität und Qualität in der Leistungserbringung. Unser Ziel ist es, neue europäische Märkte zu erschließen – sowohl organisch als auch durch gezielte Akquisitionen. Mit dem neuen Operating Model haben wir die Grundlagen für skalierbares und internationales Wachstum geschaffen – wir können die Prozesse in neue Märkte unkompliziert übertragen.
Neben dem SAP-Kerngeschäft investieren Sie auch in eigene Produkte und Künstliche Intelligenz. Welche strategische Bedeutung haben diese Bereiche für Ihr Unternehmen?
Michael Zitz: Beide Themen sind zentrale Wachstumsfelder. Mit unserer Tochtergesellschaft blue-zone bauen wir ein eigenes Produktportfolio auf – insbesondere standardisierte Cloud-Apps, die SAP-Umgebungen ergänzen. Diese Produkte sind skalierbar, schnell implementierbar und erzeugen wiederkehrende Umsätze. Wir als IT-Partner helfen hier unseren Kunden, KI-Use-Cases zu definieren, die den größten messbaren Business Impact liefern. Und wir unterstützen unsere Kunden, diese effizient und sicher umzusetzen – bspw. über Embedded-AI-Funktionen zur Effizienzsteigerung bestehender Systeme wie SAP bis zu maßgeschneiderten Lösungen mit echtem Differenzierungspotenzial. Wie genau dies aussehen kann, haben wir mit unserer KI-Eventreihe im KI-Monat „mAI“ praxisnah gezeigt, die von unseren Kunden und Interessenten sehr gut angenommen wurde. Unsere Stärke liegt darin, SAP, KI und unsere eigenen Lösungen intelligent zu verknüpfen und so passgenaue, zukunftssichere Services für den gehobenen Mittelstand zu realisieren.
Ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2024/25 hatten Sie Anfang Juli vor dem Hintergrund der verschärften geopolitische Unsicherheit und damit verbundenen temporären Verschiebungen nach unten angepasst. Welche Erwartungen haben Sie für das laufende Geschäftsjahr – und wie blicken Sie darüber hinaus in die Zukunft?
Michael Zitz: Wir mussten der anhaltenden Investitionszurückhaltung Rechnung tragen und erwarten nun im laufenden Geschäftsjahr einen Umsatz zwischen 505 und 520 Mio. Euro und eine EBIT-Marge vor M&A-Effekten zwischen fünf und sechs Prozent. Mittel- bis langfristig sind wir jedoch optimistisch. Die Nachfrage nach Cloud-Transformation ist ungebrochen, die Pipeline stark, unsere Organisation international ausgerichtet. Wir halten an unserem mittelfristigen Ziel fest, eine EBIT-Marge vor M&A Effekten von über acht Prozent zu erreichen – allerdings nicht schon im Geschäftsjahr 2025/26, sondern realistisch ab 2026/27.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Zitz!
Foto: All for One Group SE