Schon verrückt teilweise die Bewertungen im Spezialwertebereich. So wird die Aktie der Mittelstands-Holding KAP derzeit zu Kursen um 10 Euro gehandelt. Ein Niveau, was es zuletzt 1995 und dann noch einmal im Oktober 2002 gab. Beide Male übrigens der Wendepunkt für eine scharfe Aufwärtsbewegung. Keine Frage: Das Portfolio der heutigen KAP hat bis auf den Spezialtextilhersteller Mehler kaum noch etwas gemein mit dem von vor mehr als 20 Jahren. Zudem schüttete KAP seit 2002 beinahe 35 Euro je Aktie an Dividenden aus, was es zu berücksichtigen gilt und in den Chartdarstellungen üblicherweise nicht abgebildet wird. Doch auch rein mit Blick auf die ökonomisch und politisch fragile Jetzt-Zeit sowie die weiteren operativen Aussichten hat die Aktie einiges zu bieten, wie ein tieferer Blick in den frisch veröffentlichten Halbjahresbericht 2024 zeigt.
So liegt KAP nach den ersten sechs Monaten mit Erlösen von 168,4 Mio. Euro nur noch um 6,9 Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahreswert. Nach dem Auftaktviertel 2024 betrug der Rückstand noch etwas mehr als 15 Prozent. Bei dem um Sondereffekte bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (normalisiertes EBITDA) rangiert das Unternehmen aus Fulda mit 16,4 Mio. Euro mittlerweile sogar um 15,5 Prozent über dem Vorjahreswert von 14,2 Mio. Euro. Zugegeben: Zum Teil ist das auch ein Basiseffekt, da das zweite Quartal 2023 ein normalisiertes EBITDA von gerade einmal 4,5 Mio. Euro beisteuerte und die Messlatte somit entsprechend niedrig liegt. Insgesamt hat KAP im zweiten Quartal 2024 aber ein ähnlich gutes normalisiertes EBITDA erwirtschaftet wie von Anfang Januar bis Ende März 2024. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Vorstandssprecher Marten Julius.
Mit Abstand wichtigster Ergebnisbringer für den Konzern bleibt das Segment Flexible Films (Schwimmbadfolien, Membrane) mit einem nicht adjustierten EBITDA von per Ende Juni rund 9,3 Mio. Euro – was etwa dem Vorjahreswert entspricht. In den anderen Segmenten Engineered Products (Technische Textilien), Surface Technologies (Oberflächentechnik) und Precision Components (Präzisionskomponenten) spürt die Gesellschaft dagegen weit stärker die hohe Abhängigkeit vom schwierigen Automotivesektor, so dass die unbereinigten Ergebnisse hier signifikant rückläufig sind zum Halbjahr. KAP hat aber längst strukturelle Maßnahmen zur Effizienzsteigerung eingeleitet, die sich auch schon bemerkbar machen. Jedoch: Wie meistens bei solchen Paketen, zunächst einmal gibt es Extrabelastungen. Abgeschlossen ist der Optimierungsprozess dabei noch längst nicht.
„Wir werden uns auch im zweiten Halbjahr darauf konzentrieren, auf allen Ebenen noch effektiver zu werden“, sagt Marten Julius. Umso spannender wird für boersengefluester.de, was KAP unterm Strich für 2024 ausweisen wird. Zum Halbjahr steht ein Fehlbetrag von minus 4,89 Mio. Euro in den Büchern – nach einem durch Firmenverkäufe getriebenen Überschuss von 32,91 Mio. Euro für die ersten sechs Monate 2023. Die offizielle Prognose für das Gesamtjahr sieht derweil eine moderate Umsatzsteigerung gegenüber dem Referenzwert von 316,70 Mio. Euro sowie eine deutliche Verbesserung des normalisierten EBITDA – bezogen auf den bereinigten Vergleichswert von 15,6 Mio. Euro – vor.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | ||
Umsatzerlöse1 | 389,83 | 372,80 | 322,66 | 345,62 | 433,47 | 316,70 | 325,00 | |
EBITDA1,2 | 37,90 | 36,17 | 34,14 | 56,58 | 43,51 | 59,56 | 23,00 | |
EBITDA-Marge3 | 9,72 | 9,70 | 10,58 | 16,37 | 10,04 | 18,81 | 7,08 | |
EBIT1,4 | 13,84 | -10,58 | 4,18 | 31,43 | 6,63 | 3,07 | -6,00 | |
EBIT-Marge5 | 3,55 | -2,84 | 1,30 | 9,09 | 1,53 | 0,97 | -1,85 | |
Jahresüberschuss1 | 14,75 | -14,12 | -2,68 | 39,86 | -1,69 | -0,11 | -7,95 | |
Netto-Marge6 | 3,78 | -3,79 | -0,83 | 11,53 | -0,39 | -0,04 | -2,45 | |
Cashflow1,7 | 20,68 | 35,51 | 55,21 | 8,31 | 16,89 | 18,52 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,05 | -1,82 | -0,35 | 5,14 | -0,22 | -0,02 | -1,03 | |
Dividende je Aktie8 | 2,00 | 0,00 | 1,75 | 1,00 | 1,50 | 0,00 | 0,00 |
Hinweis: Alle Angaben sind unbereinigt um Sondereffekte
Übermäßig hilfreich ist die aus dem Geschäftsbericht 2023 übernommene EBITDA-Prognose für Investoren auf den ersten Blick nicht, da KAP bereits nach sechs Monaten 2024 den gesamten Vorjahreswert 2023 um gut 5 Prozent übertroffen hat. Nun: In der Regel sorgt das zweite Halbjahr bei KAP für merklich weniger Ergebnis als die ersten sechs Monate. Den H1-Wert von 16,4 Mio. Euro mit zwei zu multiplizieren, wäre also auf jeden Fall zu optimistisch. Andererseits ist das für das zweite Halbjahr 2023 ausgewiesene normalisierte EBITDA von gerade einmal 1,4 Mio. Euro historisch ebenfalls ein Ausreißer nach unten. Die offizielle Prognoseformulierung „deutliche Verbesserung“ gegenüber 2023 sollte nach Auffassung von boersengefluester.de einen Anstieg von mindestens 20 bis 30 Prozent bedeuten, daher rechnen wir für 2024 mit einem normalisierten EBITDA klar nördlich von 20 Mio. Euro.
Bezogen darauf wird der KAP-Konzern – auf schuldenfreier Basis (inklusive Pensionsrückstellungen) – etwa mit dem Faktor 6,5 an der Börse bewertet. Schon das ist sehr niedrig, wobei sich das Multiple mit Blick auf das kommende Jahr nochmals spürbar verringern wird. Immerhin betont KAP-Vorstand Julius: „Auch wenn wir uns mit unserer normalisierten EBITDA-Marge von 9,7 Prozent wieder in Richtung zweistelliger Bereich bewegen, sind wir noch nicht da, wo wir sein wollen und können.“ Einzig unterm Strich wird KAP mit ziemlicher Sicherheit auch am Jahresende 2024 deutlich rote Zahlen schreiben.
Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme der Dividendenzahlung sollten sich Anleger daher besser verkneifen. Vielmehr ist die Aktie ein „Bewertungs-Play“ bezogen auf das operative Geschäft. So gibt es den Titel momentan zum halben Buchwert, was innerhalb der Sektors Mittelstands-Holdings auffallend niedrig ist.
INVESTOR-INFORMATIONEN | ||||||
©boersengefluester.de | ||||||
KAP | ||||||
WKN | ISIN | Rechtsform | Börsenwert | IPO | Einschätzung | Hauptsitz |
620840 | DE0006208408 | AG | 73,79 Mio. € | 15.05.1987 | Kaufen |
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