Mit allem hätte Pilar de la Huerta, die Vorstandsvorsitzende von
Sygnis, offenbar gerechnet – nur nicht damit. Kaum gibt das auf die Vermehrung und Bestimmung von DNA-Material spezialisierte Biotechunternehmen bekannt, die britische
Expedeon Holdings übernehmen zu wollen, rauscht die Sygnis-Notiz um 15 Prozent in den Keller. „Der Deal ist fantastisch für die Company. Die Kursreaktion ist verrückt“, kontert de la Huerta bei einem Investorendinner am Rande der
DVFA-Frühjahrskonferenz in Frankfurt. An der Vorteilhaftigkeit der Übernahme gibt es vermutlich auch keinen Zweifel. Expedeon arbeitet profitabel und ergänzt perfekt das hochwertige Produktangebot von Sygnis, da das Unternehmen mit der Separierung von Proteinen in der Wertschöpfuungskette quasi nachgelagert tätig ist. Außerdem haben die Briten einen schlagkräftigen Vertrieb, was bislang klar ein Schwachpunkt von Sygnis war. Pluspunkte im direkten Vergleich – zumindest aus Anlegersicht – kann Sygnis dagegen durch die Börsennotiz sammeln. Expedeon ist nicht gelistet. Summa summarum könnte man beinahe den Eindruck haben, dass es sich um einen Zusammenschluss unter Gleichen („Merger of Equals“) handelt. Darauf deutet auch das
Bioscience Valuation erstelle Gutachten, wonach Sygnis mit 61,9 Mio. Euro und Expedeon mit 61,6 Mio. Euro bewertet wird.
Für Irritationen auf dem Kapitalmarkt sorgt allerdings die Komplexität der Finanzierung. Zunächst einmal müssen sich die
Heidelberger auf der Hauptversammlung am 20. Juni 2016 die formale Erlaubnis für die Transaktion einholen, was jedoch keine echte Hürde sein sollte.
Genetrix, die
Dievini Hopp Bio Tech Holding und verschiedene andere Anteilseigner halten allein mehr als 47 Prozent der Sygnis-Aktien und werden mit Sicherheit für den Deal stimmen. Anschließend ist eine Kapitalerhöhung geplant, im Zuge dessen das zurzeit 16.803.891 Aktien umfassende Gezeichnete Kapital theoretisch um bis zu 20.538.089 junge Anteilscheine aufgestockt werden kann. „Diese Kapitalerhöhung dient ausschließlich dazu, die finanzielle Flexibilität zur Übernahme der Expedeon Holdings Ltd. zu gewährleisten. Die Sygnis AG benötigt derzeit keine zusätzlichen Barmittel für das operative Geschäft“, stellt Sygnis im aktuellen Quartalsbericht klar.
Wie läuft der Deal nun ab? Zunächst einmal ist wichtig zu wissen, dass es sich bei den 20.538.089 jungen Aktien um eine Obergrenze handelt. In welchem Umfang der Rahmen tatsächlich ausgeschöpft wird, hängt davon ab, wie sich der Aktienkurs von Sygnis (aktuelle Notiz: 1,40 Euro) in den kommenden Wochen entwickeln wird. Bei einer positiven Entwicklung – und einem dann entsprechend höher wählbaren Bezugskurs – wird auch die Zahl der neuen Aktien geringer ausfallen. Das jetzt gewählte Maximalvolumen soll lediglich sicherstellen, dass die Transaktion auch dann zustande kommen kann, wenn der Bezugspreis bei der rechtlichen zulässigen Untergrenze von 1 Euro angesetzt werden müsste. Losgelöst davon: Sämtliche Altaktionäre von Sygnis erhalten bei der Maßnahme ein Bezugsrecht, wobei neun alte Papiere den Bezug von elf jungen Aktien (zu einem noch festzulegenden Preis) ermöglichen. Die Hauptanteilseigner von Sygnis verzichten dem Vernehmen nach auf die Ausübung und reichen ihre Coupons quasi an die Eigentümer von Expedeon weiter. Ebenfalls Expedion angeboten werden Bezugsrechte, die von den Sygnis-Streubesitzaktionären nicht ausgeübt werden.
Nun müssen Expedeon-Anteilseigner aber nicht zwangsläufig in Cash zahlen, sondern können in einem festgelegten Umfang ihre Expedion-Anteile einbringen. Darüber hinaus erhält die
Birketts LLP – in der Gesellschaft sind treuhänderisch rund 83 Prozent der Expedeon-Papiere zusammengefasst – einen Barausgleich von 1,7 Mio. Euro. Außerdem gilt es noch die Akquisitions- und Integrationskosten über die Kapitalerhöhung zu finanzieren. Daher strebt Sygnis aus der Maßnahme auch einen Barzufluss von etwa 5 Mio. Euro an.
Was tun als Anleger? In den kommenden Wochen wird es das Bestreben von
Sygnis sein, die Investoren von der Vorteilhaftigkeit der Übernahme zu überzeugen und den Kurs möglichst schnell wieder auf die Beine zu bekommen. Je weniger neue Aktien ausgegeben werden müssen, desto besser. Außerdem gilt es, das in Frankfurt kursierende Gerücht, wonach Sygnis eine Kapitalerhöhung zu 1 Euro je Aktie plane, zu entkräften. Zumindest auf dem Papier sieht der Merger vielversprechend aus und könnte Sygnis endlich in eine vernünftige Größenordnung hieven. Und auch für Expedion eröffnen sich neue Möglichkeiten. „Indem wir unsere Kräfte mit Sygnis bündeln, werden wir in der Lage sein, ein vielfältiges Angebot an innovativen Produkten entlang der Wertschöpfungskette anzubieten. Zudem erhalten wir Zugang zum Kapitalmarkt um unsere Aktivitäten weiter auszubauen“, betont Heikki Lanckriet, der CEO von Expedeon. Boersengefluester.de setzt also darauf, dass sich die Wogen glätten und Pilar de la Huerta am Ende Recht hat mit ihrer Einschätzung, dass es sich einen „fantastischen Deal“ handelt.
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