Normalerweise ist es ungewöhnlich, dass bei einem jungen börsennotierten Unternehmen ein Investment via Anleihe interessanter daherkommt als das direkte Engagement in die Aktie. Genau nach dieser Konstellation sieht es derzeit aber bei der Tin Inn Holding aus. Insofern ist boersengefluester.de gar nicht so sehr überrascht, dass das auf Hotels aus umgebauten Seecontainern spezialisierte Unternehmen ihre Anfang Oktober 2025 erstmals vorsichtig kommunizierten Überlegungen zur Emission eines Bonds nun in die Tat umsetzt. Adressiert ist die mit einem Volumen von bis zu 15 Mio. Euro sowie einem Kupon zwischen 8,5 und 9,5 Prozent pro Jahr konzipierte Anleihe allerdings nur an „qualifizierte institutionelle Investoren“ aus dem europäischen Wirtschaftsraum. Die wiederum dürften die Patronatserklärung der Dominik Benner zurechenbaren BM Invest Group GmbH & Co. KG zu schätzen wissen.
Hintergrund: Dominik Benner ist CEO der ebenfalls im Scale-Segment der Frankfurter Börse gelisteten The Platform Group und begleitet die Aktivitäten der Tin Inn Holding als mittelbarer Investor und Sicherheitsgarant gegenüber den Banken schon seit 2024. „Es geht jetzt darum, mehr Strecke durch mehr Hotels zu machen. Kapital ist zurzeit der limitierende Faktor“, sagt Nico Sauerland, Vorstand der Tin Inn Holding, auf einer Investorenkonferenz von mwb Research in Frankfurt und bezeichnet die geplante Anleihe daher als eine Art „Bauturbo“. Tatsächlich ist das in Wassenberg westlich von Mönchengladbach Richtung holländische Grenze ansässige Unternehmen für Börsenverhältnisse noch vergleichsweise klein. Gerade einmal sechs Container-Hotels sind im Betrieb – in Städten wie Erkelenz, Heinsberg oder Nettetal. Die Standorte sind nicht zufällig gewählt, denn gerade in mittelgroßen Städten hat sich im Zuge des Strukturwandels bundesweit eine Lücke in der Hotelversorgung aufgetan.
Die modular aufgebauten Standhotels von Tin Inn kosten im Schnitt zwischen 70 und 90 Euro pro Nacht und bieten guten Drei-Sterne-Standard. „Wir wollen nicht ‚Monteurzimmer24‘ sein“, beschreibt Sauerland das Konzept. Frühstück oder gar Restaurants gibt es nicht, dafür ist der gesamte Check-in-Prozess sehr digital aufgebaut. Vorstand Sauerland spricht von einer „fluffigen Customer-Journey“. Ungewöhnlich ist das Geschäftsmodell von Tin Inn aber auch deshalb, weil die Gesellschaft ihre Hotels nicht nur selbst betreibt, sondern sie auch in Eigenregie baut. Basis dafür ist das patentierte Verfahren zur Isolierung ausrangierter Seefrachtcontainer, die in großer Stückzahl für etwa 300 Euro pro Stück auf dem Markt vorhanden sind. Die derzeitigen Kapazitäten auf dem Werksgelände in Wassenberg reichen für etwa 20 Hotels pro Jahr – bei einem Einschichtbetrieb. Die Projektpipeline umfasst zurzeit mehr als 35 Standorte in Deutschland und Österreich.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick
2019
2020
2021
2022
2023
2024
2025
Umsatzerlöse1
0,00
0,00
0,00
0,00
9,69
7,31
9,50
EBITDA1,2
0,00
0,00
0,00
0,00
3,83
11,21
4,10
EBITDA-Marge %3
0,00
0,00
0,00
0,00
39,53
153,35
43,16
EBIT1,4
0,00
0,00
0,00
0,00
2,74
10,29
2,50
EBIT-Marge %5
0,00
0,00
0,00
0,00
28,28
140,77
26,32
Jahresüberschuss1
0,00
0,00
0,00
0,00
1,87
8,27
2,00
Netto-Marge %6
0,00
0,00
0,00
0,00
19,30
113,13
21,05
Cashflow1,7
0,00
0,00
0,00
0,00
2,95
7,16
3,60
Ergebnis je Aktie8
0,00
0,00
0,00
0,00
0,09
0,41
0,11
Dividende je Aktie8
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
Hinweis: Finanzzahlen erst seit 2023 verfügbar
Mit der geplanten Ausweitung der Produktion will das Unternehmen nicht nur die durchschnittlichen Baukosten senken, sondern auch die ohnehin schon deutlich reduzierte Bauzeit von momentan vier bis 2027 auf rund drei Monate drücken. Dabei belegt Tin Inn hierzulande keineswegs ein Monopol im Hinblick auf Container-Hotels. So betreibt die 2019 in Düsseldorf gegründete Roatel-Gruppe mehr als 30 Mikro-Hotels mit je vier Einzelzimmern, in Autobahnnähe gelegen – finanziert unter anderem via Crowdfunding. Ein gänzlich anderes Konzept bietet das Dock Inn-Hostel in Rostock-Warnemünde, das mit mehr als 42 Doppelzimmern – ebenfalls in Seecontainern – ziemlich stylish daherkommt und sich vorwiegend an junge Strandurlauber richtet. Nun: Der Markt ist groß genug für mehrere Konzepte und die wenigsten Kunden suchen wohl gezielt nach Containerzimmern. Vielmehr geht es darum, überhaupt ein überzeugendes Hotelangebot in Mittelstädten zu schaffen. Und da trifft Tin Inn sicherlich einen Nerv.
Gewöhnungsbedürftig sind derweil noch die Finanzdaten: Zum Halbjahr 2025 zeigt das Unternehmen Erlöse von gerade einmal 3,74 Mio. Euro, bei einer Gesamtleitung von 8,69 Mio. Euro. Bestandsveränderungen spielen also eine zentrale Rolle. Unter dem Strich steht ein Überschuss von 1,68 Mio. Euro. Auf der Bilanzebene sind Geschäfts- und Firmenwert mit fast 32 Mio. Euro – bei einer Bilanzsumme von 68,54 Mio. Euro – die dominierende Position auf der Aktivseite. Für ein Unternehmen in einer Aufbauphase, wie Tin Inn sie gerade durchlebt, sind solche Relationen zwar nicht ungewöhnlich. Sie zeigen aber, dass Investoren sich im Bereich Risikokapital bewegen. Dabei kommt die Tin Inn Holding AG schon jetzt auf einen Börsenwert von fast 280 Mio. Euro, was ziemlich genau dem Faktor 4 der ebenfalls börsennotierten und auf Luxusunterkünfte fokussierten MHP Hotel entspricht. Natürlich bewegen sich beide Unternehmen in diametral anderen Bereichen und auch die Wertschöpfungsketten weisen erhebliche Unterschiede auf. In eine gemeinsame Peer-Group würde boersengefluester.de trotzdem beide Aktien fassen.
Sei es drum: Auch wenn Tin Inn bis 2028 mehr als 50 Hotels sowie eine EBITDA-Marge von über 30 Prozent anpeilt, insgesamt ist die Bewertung der Aktie enorm anspruchsvoll und lässt sich gegenwärtig wohl nur mit einer gewissen „Fankultur“ erklären, auch wenn die Analysten der Baader Bank den fairen Wert bei 14,50 Euro ansetzen. Immerhin: Eine erfolgreiche Anleihenplatzierung sollte auch eine positive Wirkung auf das fundamentale Setup der Aktie haben, weil die neuen liquiden Mittel nicht weniger als der Treibstoff für das geplante Wachstum sind.
Ein interessantes Thema könnte mittelfristig dabei der Bereich studentisches Wohnen werden. Und wer als Investor der Tin Inn-Holding nun unbedingt auch eine gewisse Defence-Tönung geben möchte, könnte sich auch den modularen Aufbau von Soldatenunterkünften in Containern vorstellen. Das ist jedoch Zukunftsmusik. Erst einmal ist es eine Hotel-Story. Boersengefluester.de wird die weitere Entwicklung eng verfolgen. Die Roadshow für die Platzierung der Anleihe startet am 13. November 2025. Für den 25. November ist die Einbeziehung des Bonds in den Freiverkehrshandel der Börse Frankfurt geplant.
INVESTOR-INFORMATIONEN
©boersengefluester.de
Tin Inn Holding
WKN
ISIN
Rechtsform
Börsenwert
IPO
Einschätzung
Hauptsitz
A40ZTT
DE000A40ZTT8
AG
284,71 Mio. €
19.05.2025
Foto: Tin Inn Holding AG


