Für Anleger, die schon länger in der Softing-Aktie investiert sind, ist es noch kaum zu spüren im Depot. Auffällig aber trotzdem, dass die Notiz des Anbieters von Systemen für die Messtechnik in Fahrzeugen, Maschinen und Netzwerken im Bereich um 3 Euro zuletzt einen Boden gefunden hat. Die kürzlich kommunizierten Halbjahreszahlen hat die Notiz jedenfalls ganz gut verkraftet, auch wenn Umsatz und Ergebnis noch immer weit hinter dem Anspruchsniveau von Softing zurückhängen. Insbesondere der um knapp elf Prozent auf 35,3 Mio. Euro gestiegene Auftragseingang ist jedoch ein ermutigendes Zeichen. Nicht minder spannend sind die Aktivitäten des Schweizer Investors Rudolf Noser, der seinen Anteil an Softing zuletzt nochmals aufgestockt hat und dem im streng regulierten Börsensegment Prime Standard gelisteten Titel so einen Schuss Übernahmefantasie einhaucht.
Bewertungstechnisch liegt die Aktie ohnehin am Boden. Allein der Abschlag zum Buchwert von derzeit 5 Euro je Aktie beträgt fast 35 Prozent. Und bei einem Börsenwert von zurzeit rund 32 Mio. Euro wird jeder Euro Umsatz nur mit etwa 35 Cent bewertet. Keine Frage: Die nachhaltige Rentabilität ist derzeit das größte Manko von Softing, aber zumindest auf EBITDA-Basis agiert die Gesellschaft kontinuierlich im deutlich positiven Terrain. Im Interview mit boersengefluester.de verrät CEO Dr. Wolfgang Trier, wie er die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung einschätzt, was es mit dem Schweizer Investor auf sich hat, warum Softing zuletzt sogar eine Firma zugekauft hat, welche Effekte die US-Zölle haben und warum die Zukunft vielleicht doch ganz gut aussieht.
Herr Dr. Trier, mit dem Schweizer Investor Rudolf Noser scheint Softing einen echten Fan zu haben, der seinen Anteil zuletzt sogar auf 20,05 Prozent ausgebaut hat. Was geht denn da zwischen Softing und der unter anderem ebenfalls im Bereich Automatisierung tätigen Noser Group?
Dr. Wolfgang Trier: Softing steht mit Noser Engineering, einem Unternehmen der Noser Gruppe, im Austausch über gemeinsame oder ergänzende Angebote an unsere Kunden. Noser Engineering ist sehr stark in Projektleistungen, während sich Softing in den vergangenen Jahren immer mehr auf den Verkauf von Produkten konzentriert hat. Schnittmengen gibt es dabei im Wesentlichen im Bereich der Industrieautomation. Der Austausch hierzu ist aber grundsätzlich nicht anders als mit anderen Partnern auch.
Wie ist Ihre Einschätzung: Wird Rudolf Noser über die Marke von 30 Prozent gehen? Immerhin sind die Aktienkurse von Softing zurzeit mit rund 3 Euro verlockend niedrig.
Dr. Wolfgang Trier: Letztlich kann jeder Aktionär frei über die Höhe seiner Anteile entscheiden. Die Noser Gruppe ist auf Basis der gemeldeten Aktienbestände der zweitgrößte Aktionär. Der drittgrößte Aktionär ist mit rund 15 Prozent nicht weit davon entfernt. Bisher ist Softing von keinem der drei größten Aktionäre bekannt, dass jemand die 30-Prozent-Marke überschreiten wollte. Wir hätten aber auch keine Bedenken gegen Aktionäre, die Schwellwerte überschreiten wollen. Als Aktiengesellschaft liegt dies in der Hand unserer Aktionäre.
Mittlerweile ist der Halbjahresbericht von Softing veröffentlicht. Was ist Ihrer Meinung nach die größte Überraschung in dem Zahlenwerk?
Dr. Wolfgang Trier: Echte „Überraschung“ sehe ich beim Halbjahresbericht keine – weder positive noch negative. Besonders erfreulich sind für mich zwei Themen: Zum einen ist dies die ausgezeichnete Entwicklung des Segments Automotive mit einem weiteren Umsatzanstieg um 19 Prozent gegen jeden Branchentrend. Zum anderen sehen wir eine Trendwende im Auftragseingang des Segments Industrial mit einem Anstieg um 16 Prozent. Hier wird mit dem Auftragseingang von heute wieder Umsatz von morgen aufgebaut.
Die Prognosen für das Gesamtjahr 2025 hat Softing bestätigt, allerdings ein wenig Finetuning vorgenommen. So rechnen Sie für die avisierten Umsatz- und EBIT-Bandbreiten nun den jeweils mit dem unteren bis mittleren Bereich. Die wirtschaftliche Erholung fällt also doch schwächer aus als erhofft, oder was sind die genauen Gründe?
Dr. Wolfgang Trier: Die wirtschaftliche Erholung in unseren Branchen steht noch auf dünnen Beinen, da die geopolitischen Rahmenbedingungen für jeden erkennbar extrem volatil sind. Der derzeitige US-Präsident entscheidet nach Laune und unter Missachtung seiner verfassungsmäßigen Beschränkungen vollkommen erratisch über die Zollpolitik, lässt sich dann aber vom russischen Präsidenten am sprichwörtlichen Nasenring durch die Manege führen. Gewissermaßen ist jederzeit alles möglich. Diesen Rahmenbedingungen haben wir mit einem vorsichtigen Ausblick Rechnung getragen.
Für den Auftragseingang haben Sie wie angesprochen über eine positive Entwicklung berichtet. Wann schlägt sich dies voraussichtlich in einer positiven Umsatzentwicklung nieder? Wie lang ist bei Softing in der Regel der zeitliche Versatz zwischen Auftragseingang und Verumsatzung?
Dr. Wolfgang Trier: Der Auftragseingang legte vor allem im Segment Industrial zu. Während IT Networks mit einem klassischen „Rein-Raus“-Geschäft in der Regel keinen größeren Auftragsbestand aufbaut, liegen die Zeiträume zur Umsetzung von Auftragseingang in Umsatz bei Industrial und Automotive typisch zwischen einzelnen Quartalen und einem Jahr.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick
2019
2020
2021
2022
2023
2024
2025
Umsatzerlöse1
91,07
77,60
84,69
98,31
112,60
95,06
92,60
EBITDA1,2
12,12
7,76
9,07
9,73
13,92
9,49
10,20
EBITDA-Marge %3
13,31
10,00
10,71
9,90
12,36
9,98
11,02
EBIT1,4
4,30
-3,93
-0,48
0,76
-2,72
0,50
1,10
EBIT-Marge %5
4,72
-5,06
-0,57
0,77
-2,42
0,53
1,19
Jahresüberschuss1
2,93
-4,58
-0,07
-1,18
-5,71
-1,57
0,72
Netto-Marge %6
3,22
-5,90
-0,08
-1,20
-5,07
-1,65
0,78
Cashflow1,7
10,37
4,91
11,05
3,82
9,10
7,02
8,40
Ergebnis je Aktie8
0,31
-0,50
0,01
-0,13
-0,63
-0,17
0,07
Dividende je Aktie8
0,04
0,04
0,10
0,10
0,13
0,00
0,00
Herr Trier, kein Interview mit Ihnen ohne ein Update zu GlobalmatiX – dem ehemaligen Hoffnungsträger, der gefühlt aber immer hinter den Erwartungen bleibt. Wie ist momentan die Lage dort?
Dr. Wolfgang Trier: GlobalmatiX entwickelt sich bei seinen Schlüsselkunden sehr gut. Problematisch waren im ersten Halbjahr die vielen Verschiebungen von Projektanläufen bei Neukunden und damit das schwache Neukundengeschäft. Wir sehen jedoch bei zwei Kunden in diesem Jahr noch Potenzial für Umsätze in bis zu siebenstelliger Höhe. Grundsätzlich bleibt die Lage im Telematikumfeld aber weiter herausfordernd.
Mit der Delta Logic aus Schwäbisch Gmünd hat Softing im Frühjahr 2025 für 1,49 Mio. Euro ein Soft- und Hardware-Unternehmen für die Automatisierung übernommen. Was hat den Ausschlag für die Akquisition gegeben?
Dr. Wolfgang Trier: Delta Logic und dessen Gründer Rainer Hönle sind mir bereits seit rund zwei Jahrzehnten bekannt. Wir haben in dieser Zeit mehrere erfolgreiche Projekte durchgeführt und gemeinsame Produkte entwickelt. Im Zuge einer Unternehmensnachfolge wurden wir von den Delta Logic angesprochen. Da die besonderen Fähigkeiten von Delta Logic genau im strategischen Kern der Softing Industrial liegen, haben wir uns zur Übernahme und Integration entschlossen – und diesen Schritt bisher nicht bereut.
Auf der anderen Seite haben Sie die Tochter Softing Italia zur Jahresmitte verkauft. Was war hierfür der Grund und welchen Einfluss hat die Transaktion auf die Softing-Zahlen? Stehen eventuell noch weitere Deals dieser Art an oder ist die Firmenstruktur stabil?
Dr. Wolfgang Trier: Softing Italia hat sich in den vergangenen 15 Jahren stark in Bereichen entwickelt, die wir beim Kauf der damals unter OEM Automazione firmierenden Gesellschaft als profitable Randbereiche übernommen hatten. Bis heute haben diese Bereiche keine Berührung zu unserem strategischen Kern in der industriellen Automation. Der altersbedingte Rückzug des Geschäftsführers und seiner rechten Hand waren für uns Anlass, uns auch in Italien wieder klar auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, das von einem erfahrenen Team fortgeführt wird. Eine vergleichbare Konstellation in anderen Bereichen der Softing Gruppe liegt derzeit nicht vor.
Wie schätzen Sie die aktuelle Finanzausstattung von Softing ein? Im zweiten und dritten Quartal 2024 wurde der mit den Banken vereinbarte maximale Verschuldungsgrad temporär überschritten. Alles wieder im Lot?
Dr. Wolfgang Trier: Mit unseren Hausbanken vereinbarte Kennzahlen wurden im vergangenen Jahr bedingt durch massive Materialeinkäufe für ein Automotive-Großprojekt in zwei Quartalen temporär überschritten. Mit der Lieferung eines großen Teils der Produkte wurden diese im Lager geführten Werte zu Umsatz, womit sich die Problematik der Kennzahlen sofort löste. Tatsächlich führen wir den Verschuldungsgrad im laufenden Jahr durch umfangreiche Tilgungen massiv zurück. Das wird uns zukünftig noch weiter von einer Überschreitung der vereinbarten Kennzahlen entfernen und die Kapitalkosten deutlich senken. Die Umsätze und Erträge im Juli 2025 waren schon außerordentlich erfreulich. Wir sehen uns daher zu allen geplanten Maßnahmen finanziell passend ausgestattet.
INVESTOR-INFORMATIONEN
©boersengefluester.de
Softing
WKN
ISIN
Rechtsform
Börsenwert
IPO
Einschätzung
Hauptsitz
517800
DE0005178008
AG
32,76 Mio. €
16.05.2000
Kaufen
Welche Auswirkungen hat das leidige Zoll-Thema USA für Softing? Können Sie da bereits eine Wasserstandsmeldung geben?
Dr. Wolfgang Trier: Das Geschäft der Automotive in den USA ist hiervon nicht betroffen, da wir in nahezu allen Fällen Zölle und Transportkosten in unseren Projektvereinbarungen transparent an unsere Kunden weitergeben. Der wesentliche Teil unseres Industriegeschäfts in den USA betrifft die Produkte von OLDI. Diese werden teils in den USA und teils in Südamerika hergestellt. Mit unseren Großkunden, die mehr als 80 Prozent des dortigen Geschäfts ausmachen, ist eine vollständige Weitergabe der Einfuhrzölle an die Kunden vereinbart. So verbleibt lediglich ein überschaubarer Umsatzanteil mit kleineren Kunden, bei denen wir die Einfuhrzölle über Preisanpassungen an den industriellen Endkunden weiterreichen. So werden das viele europäische Unternehmen machen, was in den USA zu erhöhtem Inflationsdruck führen wird. Einen dauerhaften Vorteil der USA durch Trumps Zollmaßnamen vermag ich nicht zu erkennen.
Im Halbjahresbericht betonen Sie, dass Softing gestärkt aus den schwierigen Jahren 2024 und 2025 hervorgehen wird und Sie der Zukunft mit Freude entgegensehen. Was dürfen Anleger demnach 2026 von Softing mindestens erwarten?
Dr. Wolfgang Trier: Wir haben mit unserem Effizienzprogramm CORE in 2024 schon sehr schnell auf die Herausforderungen am Markt reagiert. Wir arbeiten seitdem erfolgreich am Abbau überhöhter Lagerbestände, fokussieren uns auf das Kerngeschäft und reduzieren Struktur- und Lohnkosten. Wie bereits erwähnt, setzen wir die gewonnene Liquidität zum Zukauf in strategischen Kernbereichen wie bei Delta Logic und zum Abbau der Verschuldung ein. Das alles führt dazu, dass Softing zukünftig selbst in einem vergleichbar herausfordernden Umfeld ungleich wettbewerbsfähiger aufgestellt sein wird. Dieses Vorgehen wird im zweiten Halbjahr 2025 fortgesetzt werden – mit dem Ziel, Umsatz- und Ertragslage im kommenden Jahr in einem stabilen Umfeld deutlich zu verbessern.
Herr Dr. Trier, besten Dank für das Interview.
Foto: Softing AG