Nanorepro: „Innovativer und schneller als die Großen“

Extremer geht es kaum. Als CEO Lisa Jüngst und CFO Stefan Pieh vor knapp drei Jahren auf einer von der BankM organisierten Konferenz über die neuesten Entwicklungen von NanoRepro berichteten, hatten sich fast 300 Investoren in die digitale Präsentation eingewählt. Das entspricht ungefähr dem Zehnfachen der bei solchen Veranstaltungen sonst üblichen Zuhörerzahl. Zu der Zeit war NanoRepro mit seinen Corona-Tests einfach mega angesagt. Schon damals drehten sich viele Fragen aber darum, wie sich das Unternehmen für die Zeit nach Corona aufstellt – Geld war ja nun durch die exorbitanten Erlöszuwächse vorhanden. Heiß gehandelt wurde insbesondere ein Zusammenschluss mit dem Wundheilungsbereich (Terraplasma) des Geschäftspartners Viromed. Am Ende wurde dieser Prozess jedoch wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen gestoppt.

Um das mittlerweile fast vollständig zum Erliegen gekommene Geschäft mit Corona-Tests zumindest ansatzweise auszugleichen, hat Nanorepro in der Folge ihre angestammten Aktivitäten rund um Tests zur Selbstdiagnostik sowie Nahrungsergänzungsprodukte forciert. Doch die für 2023 ausgewiesenen Umsätze von gerade einmal 3,18 Mio. Euro – bei einem EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) von minus 5,34 Mio. Euro – zeigen jedoch, wie beschwerlich der Weg ist. Um die Option des anorganischen Wachstums weiter zu verfolgen, haben sich die Marburger im Herbst 2023 schließlich mit knapp 10 Prozent an der Deutsche Kosmetikwerke AG (DKW) beteiligt. Die Gesellschaft um NanoRepro-Aufsichtsrat Olaf Stiller sowie Bayern-Torwart Manuel Neuer und die Tennisspielerin Angelique Kerber vertreibt unter der Marke NewKee Produkte zur Körperpflege.

Kursentwicklung aktuell

NanoRepro Kurs: 1,33

Nun der nächste Vorstoß von NanoRepro – und wieder steht eine Gesellschaft aus dem Einflussbereich des leidenschaftlichen Multi-Unternehmers Olaf Stiller im Zentrum: Demnach peilt NanoRepro eine Mehrheitsbeteiligung an dem auf Pflege- und Sonnenschutzprodukte im Baby- und Kinderbereich tätigen Unternehmen Paedi Protect an. Interessantes Detail: Auch die nicht öffentlich notierte Paedi Protect AG ist mit 22,4 Prozent an der Deutsche Kosmetikwerke AG beteiligt. Nicht jeder am Kapitalmarkt findet diese enge Verquickung besonders glücklich, umso wichtiger für das Team um CEO Lisa Jüngst hier eine maximale Transparenz zu schaffen. Das gilt umso mehr, weil das Thema auf der Hauptversammlung von NanoRepro am 25. Juli 2024 bestimmt intensiv diskutiert wird.

Im Interview mit boersengefluester.de beantworten Lisa Jüngst und Stefan Pieh, was sie sich von der Transaktion erhoffen und wohin sie NanoRepro in den kommenden Jahren führen wollen. Und natürlich darf ein Blick zurück auf die irren Corona-Jahren nicht fehlen, schließlich waren sie –  insbesondere was die Themen Vertrieb und Agilität angeht – absolut prägend für NanoRepro. Bleibt zu hoffen, dass auch der traurige Aktienkurs von NanoRepro endlich wieder frische Impulse bekommt.

Frau Jüngst, NanoRepro hatte als Anbieter von COVID-Tests aufgrund der extremen Nachfrage eine Sonderkonjunktur in den Jahren 2020 bis 2022. Nun steht NanoRepro vor einer Neuaufstellung. Was genau planen Sie?

Lisa Jüngst: Als etabliertes Schnelltest-Unternehmen mit umfangreicher Erfahrung auf dem Gebiet der Diagnostik haben wir die Chancen, die sich in den Pandemiejahren aufgrund der hohen Nachfrage nach Corona-Schnelltests ergeben haben, optimal für uns nutzen können. Mit dem Ende der Pandemie liegt der Fokus nun auf der Etablierung von Geschäft außerhalb von Corona, dabei geht es sowohl um organisches als auch um anorganisches Wachstum. Hierzu haben wir wichtige strategische Weichenstellungen für künftiges Wachstum in neuen Märkten und mit neuen Kunden eingeleitet.

Herr Pieh, welche Strategie steckt dahinter?

Stefan Pieh: Wir möchten die vorhandene Liquidität optimal nutzen und konzentrieren uns darauf, NanoRepro langfristig zu einem innovativen, nachhaltigen Gesundheitsunternehmen auszubauen. Wir konzentrieren uns vor allem auf den Aus- und Aufbau von Konsumgütermarken und sind hier bisher in den Bereichen Diagnostik, Diabetes-Diagnostik, Nahrungsergänzung sowie medizinische Hautpflege aktiv. 

NanoRepro ist als Hersteller mit eigenen Marken aktiv. Welche Rolle spielt dabei der Vertrieb?

Lisa Jüngst: Eine der zentralen, wenn nicht sogar die zentralste Rolle im Unternehmen. Auf die Fähigkeit des Vertriebs kommt es an, wenn Unternehmen auf Wachstumskurs gehen möchten. Eine gute Vertriebskultur stellt die Kunden auf Platz eins, auf Platz 2 kommen die Kunden und auf Platz 3 nochmals die Kunden. Wenn die Kunden wirklich im Zentrum stehen, sollte der Vertrieb an allen relevanten Stellen im Unternehmen eine zentrale Rolle spielen.

Ist das nicht selbstverständlich?  

Lisa Jüngst: Vertrieb wird leider viel zu häufig durch die innere Brille gesehen. Nach dem Motto: Wir haben hier ein tolles Produkt entwickelt und das soll der Vertrieb doch bitte an die Kunden bringen. Der Vertrieb hat heutzutage nicht mehr nur die Rolle, Kunden mit Informationen zu versorgen, denn oftmals sind Käufer besser informiert als Verkäufer. Man informiert sich umfassend im Internet, hat daher entsprechende Erwartungen und so steht der Vertrieb vor neuen Herausforderungen. Man muss sich von Konkurrenten zum Beispiel dadurch abheben, dass man einen Fokus auf Menschlichkeit, Persönlichkeit und Mitspracherecht legt. Kunden, denen ehrliches Interesse entgegengebracht wird, vertrauen einer Marke – und Vertrauen trägt zu Wohlbefinden bei. Ein persönliches und positives Interagieren zwischen Unternehmen und Kunden kann also den Ausschlag geben, wenn es darum geht, sich zwischen nahezu gleichwertigen Produkten zu entscheiden.

Strategische Übernahmen und Kooperationen sollen das Wachstum auch anorganisch beschleunigen. Sie streben eine Mehrheitsbeteiligung an der Paedi Protect AG an. Warum haben Sie gerade dieses Unternehmen ins Visier genommen?

Lisa Jüngst: Die Paedi Protect AG ist der perfekte Fit für uns. Es ist ein modernes, innovatives Unternehmen, das sich vor allem in den vergangenen zwölf Monaten mit der Marke Paediprotect hervorragend entwickelt hat und im laufenden Geschäftsjahr auf einen Jahresumsatz im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich zusteuert – und das bei einem profitablem Ergebnis. Dies zeigt auch, dass die im Jahr 2013 gegründete Gesellschaft in der Kundenansprache vieles richtig macht. Durch die Zusammenarbeit mit Influencern und Sportlern hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren eine starke und engagierte Community mit mehr als 100.000 Newsletter-Abonnenten aufbauen können.

Stefan Pieh: Als führende Marke im Bereich „Hautpflege für Babys und Kinder" versteht es Paediprotect, die Macht des Storytellings zu nutzen, um sich mit seiner Zielgruppe auf einer emotionalen Ebene zu verbinden. Es ist die starke Interaktion mit der Zielgruppe vor allem im Social-Media-Bereich, die die Marke prägt und erfolgreich macht: Follower werden beispielsweise in die Produktentwicklung stark eingebunden. Der Lippenpflegestift wurde rein auf Follower-Feedback hin in den Markt eingeführt. Wenn man Menschen die Möglichkeit gibt, bei Entscheidungen mitwirken zu können, entsteht das Gefühl, gesehen und wertgeschätzt zu werden.  

Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist heutzutage in aller Munde. Wie ist Paedi Protect in diesem Bereich aufgestellt?

Lisa Jüngst: Die Marke Paediprotect steht für authentische, hochwertige Hautpflege ohne überflüssige, reizende oder allergiefördernde Inhaltsstoffe. Übergeordnetes Ziel ist es, Familien über Inhaltsstoffe in Hautpflege aufzuklären und ihnen mit kindgerechten Pflege- und Sonnenschutzprodukten im Alltag beiseitezustehen.

Stefan Pieh: Das Thema Nachhaltigkeit ist fest verwurzelt in der Marke Paediprotect. Hautpflege soll die empfindliche Haut pflegen und schützen, allerdings nicht auf Kosten der Umwelt. Aus diesem Grund werden die Inhaltsstoffe der Produkte nicht nur nach Hautverträglichkeit, sondern auch nach ihrem ökologischen Fußabdruck ausgewählt. Paediprotect verzichtet in allen Produkten auf tierische Bestandteile und Tierversuche. Wo immer es möglich ist, entscheidet das Unternehmen für Rohstoffqualitäten, die nachhaltig gewonnen werden. Zudem sind bereits seit 2021 sämtliche Mikroplastikpartikel konsequent aus allen Produkten verbannt worden und auch bezüglich der Verpackungen hat man einen großen Schritt in die richtige Richtung getan. Das Unternehmen ist seit 2022 Mitglied im Forum Rezyklat. Das Ziel ist, dank sortenreiner Wertstofftrennung alle Verpackungen vollständig recyceln zu können.

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Lassen Sie uns kurz auf die bewegte Geschichte von NanoRepro zurückblicken. Wie kam es, dass Sie trotz hoher Konkurrenz im Bereich Corona-Tests überdurchschnittlich erfolgreich waren in dieser Zeit?

Lisa Jüngst: NanoRepro haben wir „von unten“ aufgebaut. Retrospektiv betrachtet lag die Schwäche der Gesellschaft bis zur Corona-Zeit im Bereich Vertrieb. Das, was wir bis 2020 allerdings haben aufbauen können, ist eine hohe Expertise im Bereich „Herstellung, Produktion und Zulassung von Schnelldiagnostik“ und diese Expertise haben wir mit Beginn der Corona-Pandemie erfolgreich für uns nutzen können. Wir hatten einen großen Wissensvorsprung und konnten uns im Vergleich zu unseren Konkurrenten, die sich diese Expertise im Schnelldurchlauf erst aneignen mussten, direkt rein auf Vertrieb fokussieren. 

Wie unterschied sich diese Phase von der Zeit davor?

Lisa Jüngst: Ich bin seit 2007 im Unternehmen und die Herausforderungen waren stets unterschiedlich: Einige Jahre ging es bei NanoRepro ums nackte Überleben, da war die Zeit nach einer Kapitalerhöhung die Zeit vor der nächsten Kapitalerhöhung. Man hatte weder Raum noch Zeit, sich beispielsweise mit einem Kernthema wie der strategischen Ausrichtung des Unternehmens zu beschäftigen. Die Zeit der Corona-Pandemie wiederum war geprägt durch völlig andere Themen: Innerhalb kürzester Zeit mussten möglichst viele Dinge richtig entschieden werden, vor allem Schnelligkeit und Risikobereitschaft waren gefragt.

Eine Mehrheitsbeteiligung an der Paedi Protect AG würde für NanoRepro umsatz- und ergebnisseitig einen großen Sprung bedeuten. Haben Sie keine Angst, dass Paedi Protect zu groß für Sie ist?

Lisa Jüngst: Nein, bei Paedi Protect steht eine Basis, man kann auf einem gesunden Fundament aufbauen und die Firma in den nächsten Jahren Schritt für Schritt weiter ausbauen. Schon jetzt stellt die Produktpalette eine sinnvolle Erweiterung unseres Geschäftsmodells dar und es gibt für die Marke Paediprotect viele Ideen, die Produktpalette sowohl in die Breite als auch in der Tiefe zu erweitern. Auch wir von NanoRepro haben Vorschläge, an welchen Stellen man gegebenenfalls optimieren und Know-how teilen kann. Wir sind diesbezüglich bereits eng im Austausch mit dem Management von Paedi Protect.

Stefan Pieh: Umgekehrt können auch wir für unsere Marken ZuhauseTEST und Alphabiol vom Erfahrungsschatz der Paedi Protect profitieren, vor allem im Social-Media-Bereich. Es sind spannende und wertvolle Synergie, die sich aus Zusammenarbeit beider Firmen ergeben und wir sind überzeugt, dass in diesem Fall eins plus eins drei ergibt.

Für den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der Paedi Protect AG rechnen Sie mit einem Gesamtinvestment im niedrigen zweistelligen Millionen- Euro-Bereich. NanoRepro wird den Erwerb aus eigenen Mitteln finanzieren. Auf welches Interesse ist Ihr Angebot bisher gestoßen?

Stefan Pieh: Wir sind überzeugt, dass unser faires Erwerbsangebot an die Aktionäre der Paedi Protect AG auf eine positive Resonanz stoßen wird und wir bereits im ersten Schritt eine Beteiligung in der Größenordnung von über 40 Prozent an der Gesellschaft erreichen können. Der Kauf und die Übertragung der Paedi Protect-Anteile sollen bis Ende August 2024 abgeschlossen werden. Inklusive einer später stattfindenden Kapitalerhöhung der Paedi Protect könnte in diesem Fall der Erwerb einer Mehrheit an der Paedi Protect AG abgeschlossen und eine Konsolidierung in die Zahlen der NanoRepro erfolgen.

Paedi Protect ist wie NanoRepro an der Deutschen Kosmetikwerke AG beteiligt. Welche Rolle spielt diese Gesellschaft in Ihren Plänen?

Stefan Pieh: Mit der Beteiligung an der Deutsche Kosmetikwerke AG (DKW) haben wir den Einstieg in den Bereich „Hautpflege“ begonnen. Die geplante Mehrheitsbeteiligung an Paedi Protect ist eine sinnvolle Erweiterung und wird die begonnene Expansion aus unserer Sicht deutlich beschleunigen. Da alle drei Unternehmen, NanoRepro, Paedi Protect und DKW, eine Vielzahl von Synergiepotenzialen in den Bereichen Vertrieb, Produkte und Absatzmärkte aufweisen, ist mittel- bis langfristig mit weiteren deutlich positiven Effekten zu rechnen.

Zwischen NanoRepro und Paedi Protect gibt es auch personelle Verflechtungen in Vorstand und Aufsichtsrat. Wie wollen Sie gewährleisten, dass persönliche Interessen hier nicht vor die Interessen aller NanoRepro-Aktionäre gestellt werden?

Stefan Pieh: Vorstand und Aufsichtsrat beider Unternehmen sind sich der Governance-Thematik selbstverständlich bewusst. Es wird dazu auch in Absprache mit allen Beteiligten zeitnah Entscheidungen geben, um mögliche Interessenkonflikte auszuschließen. Der Erwerb der Paedi Protect-Beteiligung wird zu einem fairen Preis erfolgen und die NanoRepro AG auf eine neue Ebene heben. Ich bin überzeugt, dass dies auch im Interesse aller NanoRepro-AktionärInnen ist.

Eine Übernahme von Paedi Protect wäre ein Meilenstein in der Historie von NanoRepro: Wo sehen Sie die Gesellschaft in fünf Jahren?

Lisa Jüngst: Wir sehen der Zukunft äußerst positiv entgegen. Man darf neben den erfreulichen Entwicklungen im anorganischen Bereich nicht vergessen, dass sich auch unser organisches Wachstum äußerst positiv entwickelt: Im ersten Quartal 2024 konnten wir den Umsatz im Kerngeschäft mit Schnelltests und Nahrungsergänzungsmitteln im Vergleich zum Vorjahresquartal annähernd verdoppeln. Unsere Strategie ist, uns nachhaltig als innovatives Gesundheitsunternehmen am Markt zu etablieren. Unser Vorteil dabei: Als Herausforderer sind wir schneller und innovativer als die Großen der Branche. So können wir uns weitere Marktanteile sichern.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

Lisa Jüngst ist seit 2006 bei der NanoRepro AG tätig. Sie ist Diplom-Betriebswirtin und war bis zu ihrer Berufung in den Vorstand im April 2013 Marketingleiterin des Unternehmens. In ihrer Funktion als CEO hat sie federführend die Umstrukturierung und Neuausrichtung des Unternehmens in den Jahren 2015 und 2016 betreut. Lisa Jüngst ist Mitgründerin der PaediProtect AG sowie Mitglied im Regionalvorstand des Bundes Junger Unternehmer.

Stefan Pieh ist seit 2021 als CFO der NanoRepro AG tätig. Nach Abschluss des Bachelor-Studiengangs Finance an der Hochschule für Finanzwirtschaft & Management in Bonn erlangte er über Frankfurt School of Finance den Master of Laws in Mergers & Acquisitions. Vor seiner Berufung in den Vorstand war Pieh fast 15 Jahre in verschiedenen Funktionen in der Banken- und Finanzbranche tätig, zuletzt im Firmenkundengeschäft.

Fotos: NanoRepro AG, Unsplash+