Herr Becks, nicht nur von boersenegfluester.de wird Masterflex immer als Anbieter von Spezialschläuchen bezeichnet. Einen ganz normalen Gartenschlauch findet man vermutlich also nicht in Ihrem Programm, oder?
Mark Becks: Da haben Sie Recht, den klassischen Gartenschlauch bieten wir nicht an. Generell gesprochen kann man sagen, dass ein Schlauch einen Transportweg für flüssige, gasförmige oder feste Stoffe bereitstellt. Das leistet zwar auch ein Gartenschlauch, indem er Wasser von A nach B transportiert. Die Besonderheit bei uns ist jedoch, dass an diesen Transportweg besondere Herausforderungen gestellt werden, die wir durch den Einsatz spezieller Materialien (Hochleistungs-Kunststoffe) verbunden mit einer hohen Fertigungskompetenz lösen. Solche Herausforderungen können z. B. leichtgewichtig, hitzebeständig, UV-beständig, wenig abrasiv, lebensmittelecht, säureunempfindlich etc. sein. Auf einen Spezialschlauch kommen also ganz andere Herausforderungen zu als auf einen herkömmlichen Gartenschlauch.
Können Sie das zum besseren Verständnis bitte noch an ein paar Beispielen erläutern: Um was für Schläuche geht es genau?
Mark Becks: Ein konkretes Beispiel sind Schläuche für die Absaugung von Gasen, die eine Dauertemperaturbeständigkeit von über 1.000 Grad Celsius haben. Oder Fluorpolymerschläuche, die in Kaffeemaschinen verbaut werden und die sowohl eine hohe chemische Resistenz haben als auch ein breites Temperaturspektrum abbilden. Gleiches gilt für Schläuche, die in der Halbleiterindustrie eingesetzt werden. Oder Lüftungsschläuche für die Luftfahrt, die besonders leicht und feuerfest sein müssen, und unsere Hörgeräteschläuche, die so klein sind, dass das schon eine fertigungstechnisch besondere Herausforderung darstellt. Gleiches gilt für unsere Multi-Lumenschläuche in der Medizintechnik, die mikroinvasive Eingriffe ermöglichen.
Wieviel Hightech steckt da drin?
Mark Becks: Hightech bedeutet bei uns, die Anforderungen des Kunden zu verstehen und eine Lösung anzubieten, die eine hohe Materialkompetenz verbunden mit der Kompetenz, diese Materialien fertigungsseitig zu verarbeiten, erfordert. Zudem müssen wir die zum Teil starke Regulierung in den von uns adressierten Märkten (Medizintechnik, Luftfahrt etc.) beherrschen. Wir machen kein Science-Fiction, aber es steckt im Detail schon ein enormes Knowhow in unseren Schläuchen.
Wie ein roter Faden zieht es sich durch die jüngsten Zwischenberichte von Masterflex, dass sich die Geschäfte mit Kunden aus Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau deutlich weniger dynamisch entwickeln als die Bereiche Luftfahrt, Lebensmittel oder auch Halbleiter. Bislang war immer die Frage, wann die Zykliker ihr Comeback feiern. Mit Blick auf die aktuellen Rezessionssorgen an den Kapitalmärkten, könnte es erstmal sogar kräftig bergab gehen. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Mark Becks: Sie stellen hier eine sehr komplexe Frage, die für uns mindestens zwei Dimensionen hat: Wie stellt sich Masterflex auf die ständigen Veränderungen ein und wie sehen wir die wichtigen Märkte (Nordamerika, Europa und China/Asien)? Grundsätzlich zeigt sich Masterflex in den vergangenen Jahren sehr krisenfest und resilient. Wir haben Corona gut gemeistert, in dieser Zeit sogar entschuldet, wir haben die dramatisch steigenden Rohstoffpreise und engen Verfügbarkeiten in der Zeit nach Corona sehr erfolgreich gemanagt und wir gehen mit der Rezession in Deutschland und Europa sowie China derzeit gut um. Die Basis dafür bildet unsere Vermarktungs-Strategie. Dies sowohl regional als auch bezogen auf die Breite unserer Zielbranchen. Als Resultat daraus zeigen wir seit 2022 eine stetig wachsende, zweistellige EBIT-Marge – trotz all der widrigen Umstände.
Wie schaffen Sie es, Ihr Geschäftsmodell so schnell an die sich verändernden Bedingungen anzupassen?
Mark Becks: Das ist ein kontinuierlicher Prozess, an dem wir stetig arbeiten. Um den Umsatzverlust in den zyklischen Branchen auszugleichen, versuchen wir zusätzliche Lösungen, Stichwort Vertiefung der Wertschöpfungstiefe, anzubieten. In der Medizintechnik zeigt sich das z. B. in der kompletten Herstellung von Tumormarkern oder der Herstellung eines Legesystems für Atemweg-Stents. Auch bedeutet das Wachstum in den nicht-zyklischen Branchen, dass wir Jahr für Jahr unabhängiger hinsichtlich der Zyklizität werden. Zudem bieten Zeiten wie diese möglicherweise auch gute Akquisitionsmöglichkeiten.
Und zur zweiten Dimension: Wie bewerten Sie das aktuelle Marktumfeld?
Mark Becks: Die ökonomische Betrachtung ist etwas schwieriger und die folgende Sichtweise ist auch eher eine persönliche. Amerika schätzen wir derzeit positiver als die Tagespresse ein. Ein im Grunde sehr freiheitliches Land, das hohe und schnelle Selbstreinigungskräfte hat. China sehe ich dagegen kritischer. Nach der schrittweisen Öffnung in Richtung freiheitlicher Strukturen und dem damit verbundenen Wohlstandszuwachs seit circa 1980 ist seit einigen Jahren eine Umkehr zu sehen. Die Partei steht wieder im Mittelpunkt – ein Rückfall in alte Zeiten. Und es ist historisch bewiesen, dass kommunistische/sozialistische Systeme keinen Wohlstand schaffen. Ein sogenannter Staatskapitalismus wird nicht funktionieren, da der Staat (bzw. dessen Vertreter) nicht schlauer sind als Millionen bzw. Milliarden Marktteilnehmer.
Und Europa beziehungsweise Deutschland?
Mark Becks: Tja, in Richtung Deutschland und Europa ziehen weiterhin dunkle Wolken auf. Ich persönlich denke, wir werden erst wieder dynamisches Wachstum sehen, wenn Leistung wieder belohnt wird, der derzeitige Trend hin zu einem komplett überbürokratisierten Staatskapitalismus (für mich eher Sozialismus) umgedreht wird und dem Bürger wieder Luft zum Atmen gegeben wird. Wie sagte schon ein bekannter Ökonom eines deutschen Kreditinstituts: „Wir haben keine Erkenntnislücke, wir haben eine Umsetzungslücke.“
Die Probleme von Deutschland und Europa liegen klar auf der Hand, sie sind bekannt. Aber weder in Brüssel noch in Berlin haben wir derzeit Regierungen, die die drängenden Themen lösen können. Das Durchsetzen einer Ideologie ist wichtiger als Wohlstand. Erst wenn die Bürokratie drastisch zurückgeschraubt, der Bürger als mündig angesehen wird und der Staat versteht, dass er für den Bürger da ist (und nicht umgekehrt), werden wir wieder in Richtung Wachstum steuern. Nur marktwirtschaftliche Lösungen werden zu Wohlstand führen.
Haben Sie auch einen positiven Punkt?
Mark Becks: Positiv sehe ich ein Thema, welches in diesen Diskussionen gerne „vergessen“ wird: den technologischen Fortschritt. Dieser wird für Wachstum, Produktivität und auch viele Lösungen, z. B. im Umweltbereich, führen.
Nach vier Quartalen mit negativer Umsatzentwicklung auf Konzernebene, lagen die Erlöse im zweiten Quartal 2024 erstmals wieder über dem vergleichbaren Vorjahreswert. Gab es abrechnungstechnische Sondereffekte, oder war das vielleicht doch schon die Trendwende nach oben für Masterflex?
Mark Becks: Ich bin da immer vorsichtig, da unser Auftragsbestand keine große Vorausschau zulässt. Aber grundsätzlich ist es unsere Erwartungshaltung, dass wir mit unseren Maßnahmen in den nächsten Quartalen gegenüber dem Vorjahresquartal wachsen.
Den Umsatz für das Gesamtjahr 2024 siedeln Sie in einer Bandbreite von 100 bis 107 Mio. Euro an. Ist man als Investor gut beraten, mit dem Mittelwert zu kalkulieren oder wie würden Sie die Feinjustierung vornehmen?
Mark Becks: Das bleibt abzuwarten. Derzeit sehen wir den Umsatz eher im unteren Mittelfeld der Prognose, wir lassen uns aber gerne positiv überraschen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | ||
Umsatzerlöse1 | 77,24 | 79,97 | 71,88 | 79,07 | 100,27 | 101,12 | 101,00 | |
EBITDA1,2 | 9,59 | 9,66 | 7,89 | 10,67 | 16,44 | 17,87 | 18,25 | |
EBITDA-Marge3 | 12,42 | 12,08 | 10,98 | 13,49 | 16,40 | 17,67 | 18,07 | |
EBIT1,4 | 6,10 | 4,54 | 2,34 | 5,34 | 11,39 | 12,30 | 13,10 | |
EBIT-Marge5 | 7,90 | 5,68 | 3,26 | 6,75 | 11,36 | 12,16 | 12,97 | |
Jahresüberschuss1 | 3,22 | 2,44 | 0,80 | 3,30 | 7,83 | 8,04 | 8,40 | |
Netto-Marge6 | 4,17 | 3,05 | 1,11 | 4,17 | 7,81 | 7,95 | 8,32 | |
Cashflow1,7 | 4,68 | 6,60 | 11,55 | 6,81 | 10,11 | 12,36 | 14,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,35 | 0,26 | 0,08 | 0,34 | 0,81 | 0,83 | 0,84 | |
Dividende je Aktie8 | 0,07 | 0,07 | 0,08 | 0,12 | 0,20 | 0,25 | 0,25 |
Margentechnisch hat Masterflex deutliche Fortschritte gemacht und zeigt zum Halbjahr eine EBIT-Rendite von 14,6 Prozent – bei einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 7,51 Mio. Euro in absoluten Zahlen. Wie schätzen Sie dieses Resultat mit Blick auf die Gesamtjahresprognose von 12,0 bis 15,0 Mio. Euro operatives EBIT ein?
Mark Becks: In Bezug auf das operative EBIT sehen wir uns Stand jetzt eher im oberen Mittelfeld der Prognose.
Woran liegt es, dass bei Masterflex das Abschlussquartal regelmäßig eher schwach ist?
Mark Becks: Bei uns sind die Fakturatage immer umsatz- und damit auch ergebnisentscheidend. Entsprechend sind auch traditionell das erste und das dritte Quartal die stärksten Quartale, da es dort wenige Feiertage gibt. Das zweite Quartal „leidet“ etwas unter den zahlreichen Feier- und Brückentagen, dafür haben wir uns übrigens in diesem Jahr richtig gut geschlagen. Im vierten Quartal fehlen uns bedingt durch den Weihnachtseffekt schon mehrere Fakturatage aufgrund von Inventur und den Feiertagen bzw. Betriebsferien. Die Kostenbasis bleibt jedoch bis auf die Materialkosten gleich.
Beim Thema anorganisches Wachstum will Masterflex – auch dank eines neuen Kreditrahmenvertrags – seine Aktivitäten forcieren. Können Sie das bitte etwas präzisieren? Was muss ein Unternehmen mitbringen, um das Portfolio zu stärken?
Mark Becks: Eine Übernahme muss uns technologisch erweitern, also z. B. eine Materialkompetenz mitbringen, die wir derzeit noch nicht oder nicht in ausreichendem Umfang besitzen. Oder sie muss einen Markteintritt beschleunigen, wie beispielsweise im Bereich Medizintechnik in Amerika, dort sind wir mit unseren medizintechnischen Produkten derzeit noch nicht vertreten. „Reinen“ Umsatz wollen wir eher nicht akquirieren, auch wenn wir uns dies natürlich bei passender Gelegenheit auch anschauen würden.
Und finanziell: Um welche Größenordnungen geht es bei potenziellen Übernahmen?
Mark Becks: Das ist schwierig zu sagen. Das hängt davon ab, ob wir als ersten Schritt kleinere Targets kaufen oder alternativ doch ein größeres. Derzeit arbeiten wir ja an einem neuen Kreditvertrag, der uns einige Freiheiten bieten wird. Aber auch hier wird der Verschuldungsgrad-Covenant bei 3,0 liegen. Insofern müssen wir auch deswegen realistische Schritte machen.
INVESTOR-INFORMATIONEN | ||||||
©boersengefluester.de | ||||||
Masterflex | ||||||
WKN | ISIN | Rechtsform | Börsenwert | IPO | Einschätzung | Hauptsitz |
549293 | DE0005492938 | SE | 88,16 Mio. € | 16.06.2000 | Kaufen |
Langfristiges Ziel von Masterflex ist es, bis 2030 den Umsatz auf 200 Mio. Euro zu steigern – ein sehr weiter Zeitraum. Um die Investoren besser abzuholen, hatten Sie vor einiger Zeit eine Zwischenplanung angekündigt. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Mark Becks: Die Entwicklung der vergangenen Quartale – und damit das Erarbeiten neuer Maßnahmen – hat uns diesbezüglich (kommunikativ) etwas gebremst. Grundsätzlich wollen wir unsere EBIT-Marge stetig steigern. Derzeit laufen nicht alle Gesellschaften im Optimum, insofern ist da noch Luft nach oben. Im Rahmen unserer strategischen Planung werden wir die aktuellen Entwicklungen einarbeiten und anschließend kommunizieren.
Zum Schluss noch eine Frage zum Wettbewerbsumfeld. Wer sind die wichtigsten Marktbegleiter von Masterflex und wie sehen Sie die Entwicklung in dem Sektor: Gibt es Unternehmen, die gerade nach vorn drängen oder andererseits womöglich ausscheiden? Wo steht Masterflex hier?
Mark Becks: Es gibt in der Branche kein vergleichbares Unternehmen wie Masterflex, das über eine Aufstellung in dieser Breite verfügt. Hier sind wir einzigartig. Insofern gibt es viele Wettbewerber, aber immer nur bezogen auf Teilbereiche unseres Geschäftes. Unsere Konkurrenten stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie wir. Wer die besten Antworten findet, bleibt dann spannend zu sehen. Wir fühlen uns gut gerüstet, ohne dass wir glauben, uns ausruhen zu können. Das belegt auch unsere neue Konzernstrategie HERO@ZERO, in der wir uns ambitionierte Ziele zur Transformation unseres Geschäftsmodells gesetzt haben, ohne blauäugig zu werden. Wir setzen unsere Maßnahmen und Projekte Schritt für Schritt um, so wie wir auch in den vergangenen Jahren die Maßnahmen entlang unserer bisherigen strategischen Guideline erfolgreich umgesetzt haben. Diesbezüglich können wir als Masterflex auf einen guten Track Record verweisen.
Herr Becks, vielen Dank für das Interview!
Mark Becks ist seit dem 1. Juni 2009 Finanzvorstand (CFO) bei der Masterflex SE. Nach mehreren Jahren in Großkonzernen (Mannesmann und Bosch) bekleidete Mark Becks verschiedene leitende Positionen in mittelständischen Unternehmen. Im Fokus seiner Tätigkeiten standen dabei Restrukturierungen, Aufbau und Weiterführung von Controllingsystemen, SAP-Einführungen und die Begleitung von Refinanzierungen. Im Vorstandsteam der Masterflex SE ist Mark Becks – neben den Finanzen – zudem verantwortlich für die Ressorts Einkauf, Qualitätsmanagement, Human Ressources, Compliance sowie Investor Relations.
Foto: Masterflex SE
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