Ist schon eine ganze Weile her, dass wir auf boersengefluester.de ausführlich über Enapter berichtet haben. Dabei hat sich bei dem Anbieter von Wasserstoffgeneratoren unglaublich viel getan: Die wohl einschneidendste Veränderung war eine im Frühjahr 2024 kommunizierte Strategieanpassung, wonach Enapter die zuvor mit großem Aufwand im münsterländischen Saerbeck errichteten Fabrikationsanlagen doch nicht selbst nutzen will und stattdessen viele Teile vom chinesischen Joint-venture-Partner Wolong Enapter Hydrogen Technologies produzieren lässt. Dafür fokussiert sich Enapter auf die Produktion der Stacks – also des Kerns der Elektrolyseure – am Standort im italienischen Pisa. Aber auch sonst gab es jede Menge Meldungen um Großaufträge, Kooperationen, Veränderungen auf Vorstandsebene und zuletzt auch eine Kapitalerhöhung. Die Analysten von First Berlin trauen der Aktie ein Kursziel von 11 Euro zu. Davon ist der Titel zurzeit meilenweit entfernt. Höchste Zeit also für ein ausführliches Vorstandsinterview mit CEO Dr. Jürgen Laakmann.
Herr Dr. Laakmann, kürzlich hat Enapter eine Barkapitalerhöhung beendet. Wie lief es?
Jürgen Laakmann: Wir haben die Kapitalerhöhung gegen Bareinlage vollständig platziert und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Mit dieser nun erfolgreich abgeschlossenen Transaktion verstärken wir unsere Finanzstruktur und sind für weiteres Wachstum sehr gut aufgestellt.
Wofür sollen die Emissionserlöse verwendet werden?
Jürgen Laakmann: Der Emissionserlös in Höhe von brutto rund 8 Mio. Euro soll primär für die Finanzierung des operativen Geschäfts sowie zur Deckung allgemeiner Verwaltungskosten verwendet werden.
In den vergangenen Wochen haben Sie mehrere Großaufträge verkündet. Wo sehen Sie aktuell auf Kundenseite eine besonders hohe Nachfrage?
Jürgen Laakmann: Enapter verzeichnet eine hohe Nachfrage nach Elektrolyseuren der Megawattklasse. Industrie-Unternehmen, Infrastrukturdienstleister, Länder und Kommunen sowie viele mehr erkennen zunehmend die Zeichen der Zeit und handeln, um ihre Prozesse zu dekarbonisieren und eine saubere Zukunft zu gestalten. Grüner Wasserstoff spielt dabei eine zentrale Rolle. Mit unseren skalierbaren, modularen und Iridium-freien Elektrolyseuren leisten unsere Kunden mit ihren Projekten einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung. In den vergangenen Monaten haben wir zahlreiche neue Aufträge für Megawatt-Elektrolyseure aus aller Welt erhalten, darunter Bestellungen vom Karlsruher Institut für Technologie für Europas größtes Forschungsprojekt für erneuerbare Energien, aber auch aus den USA, Kanada und Italien. Unsere Pipeline ist sehr gut gefüllt. Aktuell liegen uns Bestellungen allein für AEM-Elektrolyseure der Megawattklasse im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich vor.
Viele Projekte sind in Italien. Was läuft dort anders als hier?
Jürgen Laakmann: Italien gehört zu den am schnellsten wachsenden Wasserstoffmärkten in Europa. Die italienische Regierung treibt die Nutzung von grünem Wasserstoff mit hoher Dynamik voran und unterstützt ganz konkret auch bei der Umsetzung. Die Pläne der italienischen Regierung sehen Gesamtinvestitionen in Wasserstoff in Höhe von 3,6 Mrd. Euro vor. Davon entfallen 500 Mio. Euro auf sogenannte Hydrogen-Valleys, die derzeit in ganz Italien entstehen. Dabei handelt es sich um 52 Regionen, in denen staatlich geförderte Wasserstoff-Initiativen zur Etablierung regionaler Wasserstoffcluster für verschiedene Anwendungsgebiete aufgebaut werden. Erst im September haben wir aus Italien von Renco SpA, einem führenden Industriedienstleister in Italien, eine Bestellung über vier AEM-Multicores mit einer Leistung von insgesamt 4 MW erhalten – der bis dato größte Einzelauftrag unserer Unternehmensgeschichte. Wir haben in Italien aktuell verbindliche Vertragsabschlüsse mit einem Volumen von 11,5 MW für Projekte aus der Hydrogen-Valley-Initiative erhalten und sind zuversichtlich, schon sehr bald weitere Großaufträge nicht nur in Italien verkünden zu können.
In den USA sind Sie Ende 2023 eine Kooperation mit Clean H2 eingegangen. Was macht das Unternehmen und was hat sich seitdem getan?
Jürgen Laakmann: Der Markteintritt in die USA war ein wichtiger Schritt bei unserer internationalen Expansionsstrategie. Bislang hatte Enapter dort ja keine eigenen Vertriebsaktivitäten. Clean H2 ist unser exklusiver Vertriebspartner für die USA. Das Unternehmen baut unter anderem ein Vertriebsnetz für Enapter-Produkte auf und unterstützt bei der Erschließung des US-Markts. Neben der Bereitstellung und Implementierung unserer Produkte umfasst die Kooperationsvereinbarung auch einen First-Level-Support für alle Aktivitäten in den USA. Enapter und Clean H2 haben in den vergangenen Monaten gute Fortschritte in der Zusammenarbeit erzielen können und auch schon einige Aufträge im Megawattbereich sowie auch für eine Vielzahl von Singlecore-Elektrolyseuren erhalten.
Auch in China hat Enapter seine Aktivitäten ausgeweitet und mit dem Joint-Venture-Partner Wolong nun die Serienproduktion gestartet. Was erwarten Sie sich vom chinesischen Markt?
Jürgen Laakmann: China war lange so etwas wie die „verlängerte Werkbank der Welt“. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. In vielen Bereichen hat das Land inzwischen die Innovationsführerschaft übernommen. Auch im Bereich Wasserstoff hat China heute international Vorbildcharakter. Der chinesische Markt bietet enorme Wachstumsmöglichkeiten und mit Wolong haben wir einen starken Partner an unserer Seite, um diesen zu erschließen. Der Wolong-Konzern ist ein in Shanghei börsennotiertes, globales Unternehmen (ISIN: CNE000001BJ3) und etablierter Player mit einem starken Vertriebs- und Servicenetzwerk auf dem chinesischen Markt. In unserem gemeinsamen Joint Venture „Wolong Enapter Hydrogen Technologies Ltd“ haben wir erst kürzlich zusammen mit Wolong den ersten AEM Megawatt-Elektrolyseur für den chinesischen Markt vorgestellt. Das Joint Venture verzeichnet in China schon jetzt eine sehr gute Nachfrage. Unter anderem wurde eine Absichtserklärung mit Chinas größtem Stahlhersteller Baowu Steel geschlossen. Baowu will seine bestehende Wasserstoffproduktion ausbauen und mit unseren AEM-Elektrolyseuren die Dekarbonisierung seiner energieintensiven Produktionsprozesse vorantreiben.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,00 | 0,93 | 2,07 | 8,44 | 14,67 | 31,61 | 23,00 | |
EBITDA1,2 | 0,00 | -1,26 | -2,92 | -7,62 | -10,58 | 1,49 | -7,60 | |
EBITDA-Marge3 | 0,00 | -135,48 | -141,06 | -90,28 | -72,12 | 4,71 | -33,04 | |
EBIT1,4 | 0,00 | -1,50 | -5,00 | -8,62 | -12,86 | -2,68 | -12,80 | |
EBIT-Marge5 | 0,00 | -161,29 | -241,55 | -102,13 | -87,66 | -8,48 | -55,65 | |
Jahresüberschuss1 | 0,00 | -1,52 | -3,57 | -8,70 | -12,98 | -7,16 | -15,50 | |
Netto-Marge6 | 0,00 | -163,44 | -172,46 | -103,08 | -88,48 | -22,65 | -67,39 | |
Cashflow1,7 | 0,00 | -1,15 | -2,14 | -8,00 | -15,46 | -14,07 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,00 | -0,48 | -1,23 | -0,38 | -0,51 | -0,26 | -0,58 | |
Dividende je Aktie8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
Hinweis: Zahlen erst ab 2019 verfügbar
Was hat es in diesem Zusammenhang mit der Strategieanpassung auf sich, die Sie Ende Mai 2024 verkündet hatten?
Jürgen Laakmann: Unser Joint Venture mit Wolong wird die Produktion von Peripherie-Systemen übernehmen, die über die wasserstofferzeugenden Stacks hinausgehen. Vereinfacht gesagt, umfasst dies nahezu alles rund um den „Motor“ eines Elektrolyseurs, also zum Beispiel Leitungssysteme, Verkabelung und Teile der Elektronik. Der „Motor“ des Elektrolyseurs ist der sogenannte „Stack“. Der Stack, der patentgeschützte Kern eines AEM-Elektrolyseurs, der für die Wasserstoffproduktion verantwortlich ist, wird weiterhin von Enapter in Pisa, Italien, gebaut. „Verheiratet“ – also endmontiert, mit Stacks bestückt und mit der Software ausgestattet, werden die Elektrolyseure durch Enapter. Dies erfolgt entweder beim Kunden vor Ort oder an einem Enapter-Standort, je nach Fall. Neben unserem Engagement in China haben wir uns auch für Drittanbieter geöffnet, die eigene Elektrolyseure mit unserer AEM-Technologie bauen möchten. Diese sogenannten „Core-Partner“ beliefern wir mit unseren Stacks sowie unserem Know-how und unserer Software. Durch diese Strategieanpassung schärfen wir unser Geschäftsmodell: Enapter konzentriert sich nun vollständig auf die Produktion und Weiterentwicklung der Stacks – unsere Kernkompetenz.
Im ersten Halbjahr 2024 konnte Enapter Umsatz und Ergebnis zwar deutlich steigern. Dennoch ist Enapter weiter negativ. Wann rechnen Sie mit dem Break-Even?
Jürgen Laakmann: Wir sind mit der Entwicklung im ersten Halbjahr sehr zufrieden. Der Umsatz stieg um mehr als 70 Prozent gesteigert und auch das Ergebnis haben wir deutlich verbessert. Temporär werden unsere Finanzkennzahlen noch von den hohen Investitionen in die Entwicklung und den Hochlauf der Produktion von Megawatt-Elektrolyseuren geprägt. 2024 erwarten wir daher ein negatives Ergebnis, 2025 soll der Break-Even erreicht werden.
INVESTOR-INFORMATIONEN | ||||||
©boersengefluester.de | ||||||
Enapter | ||||||
WKN | ISIN | Rechtsform | Börsenwert | IPO | Einschätzung | Hauptsitz |
A255G0 | DE000A255G02 | AG | 116,87 Mio. € | 19.02.2020 | Halten |
Hinweis: Daten erst ab 2019 verfügbar.
Im Vorstand hat Enapter sich mit Ivan Gruber verstärkt. Welche Rolle übernimmt er?
Jürgen Laakmann: Ivan Gruber ist seit 1. September Chief Technology Officer bei Enapter. Mit seiner jahrelangen Erfahrung im Bereich Wasserstoff leistet er einen wertvollen Beitrag für unser weiteres Wachstum. Ein Fokus seines Aufgabenbereichs liegt auf der technologischen Weiterentwicklung unseres innovativen Produktportfolios. Denn wir wollen uns kontinuierlich weiterentwickeln. Die Wasserstoffindustrie steht noch am Anfang. Da ist noch viel Innovation möglich, zu der wir mit unseren Produkten beitragen wollen.
Was unterschätzt der Kapitalmarkt Ihrer Meinung nach bei Enapter zurzeit besonders?
Jürgen Laakmann: Auch wir sind nicht zufrieden mit der Entwicklung unserer Aktie in den vergangenen Monaten. Unser Fokus liegt klar auf dem operativen Geschäft – und hier machen wir stetig sehr gute Fortschritte. Der Wasserstoffmarkt wird in den kommenden Jahren weiter stark wachsen, unser Geschäftsmodell ist intakt und wir haben eine prall gefüllte Pipeline. Insofern bin ich zuversichtlich, dass sich diese positiven Wachstumsaussichten auch nachhaltig in einem sich entsprechend entwickelten Aktienkurs widerspiegeln werden.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Laakmann!
Dr. Jürgen Laakmann ist CEO von Enapter und verfügt über mehr als 20 Jahre Management-Erfahrung, unter anderem in der Strategieberatung und in den Bereichen Automotive und Tech. Zuletzt war er CEO bei der Formel D Gruppe, einem Automobildienstleister. Dort hat Laakmann maßgeblich die strategische Geschäftsentwicklung gestaltet und unter anderem 22 internationale Niederlassungen und Tochtergesellschaften aufgebaut. Zudem verfügt er über weitreichende Erfahrung in Private Equity und M&A-Transaktionen. Als promovierter Ingenieur für Maschinenbau bringt er außerdem die umfangreiche technische Expertise mit, um Enapters Portfolio weiterzuentwickeln. Sein Fokus liegt auf der Optimierung der Produktions-, Vertriebs- und Serviceprozesse für die anvisierte Skalierung.
Fotos: Enapter AG