Seit Jahren enttäuscht
Singulus Technologies die Anleger. Der Kurs des Spezialmaschinenbauers kennt ausschließlich eine Richtung – gen Süden. Inzwischen ist das Eigenkapital nicht nur aufgebraucht, sondern mit mehr als 20 Mio. Euro kräftig negativ. Einzig das kürzlich von Anleihegläubigern und Aktionären verabschiedete Restrukturierungsprogramm bewahrt das Management vor dem Gang zum Konkursrichter. Doch Stefan Rick, Vorstandschef bei Singulus bleibt – wie immer – optimistisch. Im kommenden Jahr will er endlich ein positives operatives Ergebnis (EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern) erzielen. Bis dahin sind noch einige Klippen zu umschiffen.
Einst war Singulus ein Star am Neuen Markt. Selbst hart gesottene „Old-Economy- Fans” kamen ins Schwärmen. Das Unternehmen aus
Kahl am Main feierte mit Industrie-Maschinen zum „Bespielen“ von optischen Speichern wie CDs, DVDs und Blue Rays große Erfolge und etablierte sich zusammen mit dem japanischen Elektronik-Giganten
Sony als Weltmarktführer. Doch das Ende dieser Speichertechnologie kam schneller, als sich die Unterfranken umstellen konnten. Zwar nutzten sie ihr Know-how im Bereich der Vakuumbeschichtung und thermischen Behandlung von Substraten und Oberflächen, um Maschinen zur Herstellung von Solarzellen und Halbleitern zu entwickeln. Doch auch in diesen Branchen brach die Nachfrage weg beziehungsweise kam gar nicht erst in Schwung.
Das Unternehmen verfehlte regelmäßig die viel zu ambitionierten Geschäftsprognosen des Managements. So wurden in den vergangenen vier Jahren insgesamt mehr als 150 Mio. Euro versenkt. Das Ergebnis ist ein negatives Eigenkapital zum 31.Dezember 2015 von 21,5 Mio. Euro bei einem Umsatz von gerade einmal 84 Mio. Euro. Zwar legten die Erlöse um ein Viertel im Vergleich zum – noch desaströseren – Jahr 2014 zu, doch das reichte bei weitem nicht um die Fixkosten des innovativen Maschinenbauers mit weltweiten Vertrieb und Service zu decken. Auch die satten Vorstandsgehälter reißen ein tiefes Loch. Zwar sind die Bezüge um 20 Prozent verringert worden, betrugen aber immer noch stattliche 1,3 Mio. Euro für zwei Mann. Ob das angemessen ist, müssen die Anteilseigner, die fast alles verloren haben, selbst entscheiden.
Die Gewinnschwelle erreicht
Singulus erst bei einem Umsatz von 120 bis 130 Mio. Euro, erklärt Markus Ehret, Finanzvorstand von Singulus. Kein Wunder also, dass er für das laufende Jahr Umsätze zwischen 115 und 130 Mio. Euro, ein ausgeglichenes EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) und ein EBIT im Bereich zwischen minus 2 bis minus 6 Mio. Euro erwartet. Einen höheren zweistelligen Mio. Euro Betrag sollen, nach Auskunft von Rinck, umfangreiche Aufträge für Produktionsanlagen für Dünnschicht-Solarmodule bringen, die bereits Ende 2015 angekündigt wurden. Kunde ist ein nicht genanntes chinesisches Unternehmen, das bereits acht dieser Maschinen im Einsatz hat und das Singulus im Dezember einen Konstruktionsauftrag für diese Maschinen erteilt hat. Rinck ist zuversichtlich, dass der Kunde den Auftrag in den kommenden zwei bis drei Monaten unterschreibt. Das Fundament für die neue Fabrik soll in China schon gelegt sein. Alternativen hat der Kunde nicht. Rinck sagt, dass Singulus bei dieser Technologie Marktführer sei. Zu hoffen bleibt, dass der Preis auskömmlich sein wird. Sicherlich weiß der Kunde auch, wie es um Singulus steht. Mit diesem Auftrag steht oder fällt das Unternehmen. Darauf weist der
Wirtschaftsprüfer KPMG in seinem Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2015 explizit hin.
Neben dem Großauftrag ist noch die Umsetzung von Kapitalmaßnahmen existenziell wichtig. Die Gläubigerversammlung der Anleihebesitzer und die Hauptversammlung haben sie in den vergangenen Wochen durchgewinkt. Natürlich sind hiergegen Widersprüche eingegangen. Die müssen erst einmal gerichtlich abgearbeitet werden, bis die Maßnahmen durchgeführt werden können. Im Einzelnen handelt es sich um eine Herabsetzung des gezeichneten Kapitals 160 zu 1. Das bedeutet die derzeit knapp 50 Mio. Euro Grundkapital verringern sich auf nur noch gut 300.000 Euro. Aus 160 alten wird also eine neue Aktie. Dann erhalten die Besitzer der Unternehmensanleihe im Gesamtvolumen von 60 Mio. Euro für je 1000 Euro Anleihebetrag 96 neue Aktien. Damit erhöht sich das gezeichnete Kapital um 5,76 Mio. auf 6,06 Mio. Euro, und der Anteil der Altaktionäre verringert sich von 100 auf 5 Prozent. Die Anleihegläubiger verfügen über 95 Prozent der Singulus-Aktien. Zudem erhalten sie zwei neue Bonds im Nominalwert von jeweils 100 Euro. Eine Bar-Kapitalerhöhung um gut 2 Mio. Aktien soll frisches Geld in die Kasse bringen. Der Emissionskurs liegt noch nicht fest. Ehret kann sich Preise zwischen 6 und 7 Euro vorstellen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das er in Auftrag gegeben hat und nach dem sich die Umtauschverhältnisse der Anleihe in Aktien richten.
Derzeit liegt der Kurs der
Singulus-Aktie weit über diesem Wert. Knapp 0,20 Euro kostet das Papier. Man muss aber schon 160 Stück kaufen um nach der Kapitalherabsetzung über eine Aktie zu verfügen. Macht also schlappe 32 Euro oder das Fünffache des Gutachterpreises. Extrem viel billiger kommt man an die Singulus-Aktie, wenn man die Anleihe kauft. Sie kostet aktuell 37 Prozent also 370 Euro (1000 Euro Nominalwert je Anleihe). Dafür bekommt man 96 neue Aktien plus zwei neue Anleihen über zusammen 200 Euro Nominalwert. Rechnet man nun auch hier mit einer Rückzahlungswahrscheinlichkeit von 37 Prozent, dann wären die Anleihen 74 Euro wert. Bleibt ein Preis für die 96 neuen Aktien von je 3,08 Euro (370 – 74 = 296; 296 : 96 = 3,08). Das könnte ein Schnäppchen sein, wenn die Beschlüsse für die Kapitalmaßnahmen rechtskräftig werden und der avisierte Großauftrag aus China kommt. Fragt man den Vorstand, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis beides realisiert ist. Ob das wieder einmal viel zu optimistisch ist, können wir als Außenstehende nicht beurteilen. Es lockt ein Kursverdoppler. Der Totalverlust ist aber ebenso wahrscheinlich. Eine faire Chance für Zocker: Double or nothing.
[sws_grey_box box_size="640"]Dieser Beitrag stammt von
Stefan Otto, einem ausgewiesenen Experten für deutsche Spezialwerte. Otto gehörte zur Gründungsredaktion von BÖRSE ONLINE und schreibt als freier Autor für boersengefluester.de.[/sws_grey_box]
Foto: Singulus Technologies AG...