Natürlich steht 2G Energy mit einer schwachen Performance des Aktienkurses nicht allein da, sondern teilt die Entwicklung mit vielen anderen Unternehmen aus dem Spezialwertebereich. Enttäuschend ist ddas Chartbild aber schon allein deshalb, weil die operative Entwicklung des Anbieters von Blockheizkraftwerken – abgesehen von einzelnen Ausreißern – durchweg gut aussieht und enorm viel Potenzial für die Zukunft verspricht. Nun hat das im münsterländischen Heek ansässige Unternehmen seine vorläufigen Halbjahreszahlen vorgelegt – und die sind zumindest erklärungsbedürftig. Nichts liegt also näher, als den direkten Draht zu Finanzvorstand Friedrich Pehle zu suchen, der boersengefluester.de alle wichtigen Hintergründe und die weitere Strategie erläutert.
Herr Pehle, nach den Meldungen zu starken Auftragseingängen bei 2G Energy und einer allgemein doch weitgehend problemlosen Versorgungslage, neudeutsch Supply Chain, hatten wir mit besseren Umsatzzahlen gerechnet. Schließlich haben Sie x-fach bestätigt, jährlich um „10 Prozent plus Inflation” wachsen zu wollen. Davon sind Sie im ersten Halbjahr aber deutlich entfernt. Genaugenommen liegt Ihr Umsatz sogar gut um 3 Prozent unter Vorjahr. Wie kommt es dazu?
Friedrich Pehle: Wir bleiben bei dieser langfristigen Wachstumsformel, nämlich 10 Prozenz Volumenwachstum zuzüglich Preissteigerung. Für das laufende Geschäftsjahr und eben auch für das abgeschlossene erste Halbjahr müssen wir aber vorübergehend mit weniger auskommen. Denn trotz sehr guter Auftragslage und entspannter Supply Chain spüren wir eine strukturelle Veränderung im Kundenverhalten. Das aber einen ganz schmeichelhaften Ursprung hat.
Schmeichelhafte Gründe für weniger Umsatz: Haben Sie das Perpetuum Mobile entdeckt?
Friedrich Pehle: Nicht ganz. Aber: Sie wissen, dass die Energiewende an vielem krankt. Unter anderem auch an der Verfügbarkeit von Transformatoren, Fachkräften, Planungskapazitäten oder auch Genehmigungen. Ein konstanter Lichtblick in dieser erschreckenden Mangelverwaltung waren stets die BHKW aus dem Hause 2G. Durch alle Sonderkonjunkturen, aber auch durch alle Krisen, Stichwort Corona, hat 2G Energy immer zuverlässig geliefert. Es gibt in Europa nach wie vor praktisch keine Baustelle, die ernstlich verzögert wurde, weil das 2G-BHKW nicht pünktlich vor Ort war. Diese exzellente Reputation führt nun zunehmend dazu, dass Kunden bei uns feste Bestellungen platzieren, aber nicht mehr zur umgehenden Lieferung, also innerhalb von zum Beispiel sechs Monaten, sondern zur Lieferung bspw. nach Erteilung der kundenseitigen Netzverknüpfungs-Genehmigung. Und wenn diese Bestellung mit einer Anzahlung unterlegt ist, ist das für uns eine feste Bestellung, selbst wenn das Lieferdatum unbestimmt ist und deutlich jenseits der sonst üblichen sechs bis neun Monate liegt.
Und diese Lieferfrist-Verlängerung führte jetzt zu weniger Auslieferungen im ersten Halbjahr, obwohl Sie von einem Allzeithoch im Auftragsbestand sprechen?
Friedrich Pehle: Richtig. Wir haben volle Auftragsbücher und eine gute Versorgungslage. Aber in der Breite wollen Kunden ihre BHKW erst geliefert haben, wenn sie in ihren Projektplänen alles hintereinander haben. Der Kunde setzt die Produktionsfreigabe quasi „on hold“ bis er beispielsweise das Lieferdatum für seinen Transformator kennt. Das führt im ersten Halbjahr zu einer einmaligen Delle im Umsatz, aber zu einer Bugwelle für die kommenden Quartale.
Das heißt, die Prognosen werden bestätigt?
Friedrich Pehle: Ja, wir haben mit unserer heutigen Pressemitteilung die Prognose für das laufende Jahr bestätigt, nämlich einen Umsatz von 360 bis 390 Mio. Euro bei einer EBIT-Marge von 8,5 bis 10,0 Prozent. Wir werden also in der zweiten Jahreshälfte beim Umsatz noch drauflegen und bei der EBIT-Marge einen Sprung nach oben vollziehen. Mit Einsetzen der Heizperiode zieht die Auslieferung und Verumsatzung im zweiten Halbjahr naturgemäß stark an. Für das kommende Jahr haben wir die Prognose konkretisiert. Statt 390 bis 450 Mio. Euro erwarten wir nun mindestens 410 bis 450 Mio. Euro Umsatz. Damit würde die Delle aus 2024 ausgeglichen, und wir wären wieder bei „10Prozent plus Inflation”. Wenn es gut läuft sogar kumuliert von 2023 auf 2025. Denn wenn man den Umsatz aus 2023, das waren 365 Mio. Euro, zweimal mit einer Wachstumsrate von 10 Prozent multipliziert, kommt man auf circa 440 Mio. Euro. Fehlt die Inflationsrate, aber die kennen wir heute auch noch nicht.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | ||
Umsatzerlöse1 | 209,78 | 236,40 | 246,73 | 266,35 | 312,63 | 365,07 | 385,00 | |
EBITDA1,2 | 15,37 | 19,17 | 20,11 | 21,87 | 26,63 | 34,30 | 41,50 | |
EBITDA-Marge3 | 7,33 | 8,11 | 8,15 | 8,21 | 8,52 | 9,40 | 10,78 | |
EBIT1,4 | 11,45 | 15,45 | 16,45 | 17,93 | 21,96 | 27,64 | 35,00 | |
EBIT-Marge5 | 5,46 | 6,54 | 6,67 | 6,73 | 7,02 | 7,57 | 9,09 | |
Jahresüberschuss1 | 7,61 | 10,30 | 11,96 | 12,64 | 16,37 | 17,99 | 23,80 | |
Netto-Marge6 | 3,63 | 4,36 | 4,85 | 4,75 | 5,24 | 4,93 | 6,18 | |
Cashflow1,7 | 4,88 | 1,92 | 9,79 | 8,86 | 4,98 | 11,72 | 8,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,43 | 0,58 | 0,68 | 0,71 | 0,91 | 1,00 | 1,33 | |
Dividende je Aktie8 | 0,11 | 0,11 | 0,11 | 0,12 | 0,14 | 0,17 | 0,19 |
Mit Inflation, die es ja sicher geben wird, und einem weiteren Jahr mit einem Volumenwachstum von 10 Prozent zielen sie für 2026 auf die halbe Milliarde Euro Umsatz. Passt die Rechnung so?
Friedrich Pehle: Ich will jetzt keine neue Prognose abgeben. Aber ja: Wir halten auch für 2026 am Ziel, nämlich “10 Prozent plus Inflation”, fest. Damit müsste die halbe Milliarde in greifbare Nähe rücken. Für 2026 und darüber hinaus zeichnen sich für 2G wirklich spannende Entwicklungen und unterschiedliche Absatzmärkte ab. Nicht nur politisch – Stichwort kommunale Wärmewende –, sondern auch technisch. Hier beziehe ich mich etwa auf die Großwärmepumpe. Aber auch unser neues Produkt, das Demand-Response-Aggregat, das sich oberhalb von klassischen Notstromaggregaten ansiedelt, hat viel Potenzial.
Demand-Response-Aggregat? Hat nicht die Deutz AG gerade ein Unternehmen in den USA gekauft, das „Gensets“ herstellt?
Friedrich Pehle: Ja genau, Deutz spricht tatsächlich von Gensets. Kurz zur Begriffserläuterung. Ein Genset ist eine Kombination von Verbrennungsmotor und Generator. Im Deutschen nennt wir das ein „Aggregat“. Diese Gensets, also Motor-Generator-Kombinationen, können in verschiedenen Anwendungen und mit verschiedenen Ausprägungen genutzt werden. Da ist zum einen das klassische Notstromaggregat. Oft ein einfacher Dieselmotor und ein einfacher Generator, sehr niedrige Capex, aber sehr hohe Opex, weil sie nur selten in Betrieb gehen. Diese Notstromer werden zuweilen als „limited time power“ bezeichnet. Dann die Demand-Response…
Worum geht es hier noch einmal genau?
Friedrich Pehle: Das sind belastbare Motoren, Diesel oder Gas, die nicht nur im Notfall einen Generator antreiben, sondern immer dann, wenn der Strompreis hoch ist oder Engpässe im Netz bestehen, also vielleicht jährlich 1.000 bis 2.500 Betriebsstunden. Diese Geräte sind oft in der Nähe von Rechenzentren, Krankenhäusern oder Mikronetzen anzufinden. Und dann schließlich die bekannten Blockheizkraftwerke, die circa ab 2.500 Betriebsstunden zum Einsatz kommen und dann zusätzlich die Wärme auskoppeln. Wir sehen jetzt – und auch andere haben das gesehen -, dass speziell in den USA, aber nicht nur dort, die Last- und Preisspitzen in der Stromversorgung dauerhaft zunehmen. Dafür gibt es viele Gründe, z. B. der stark wachsende Anteil von Erneuerbaren Energien, Wetterereignisse, marode Infrastruktur, Nachfragespitzen. You name it!
Und was macht das Segment der Demand-Response-Aggregate so attraktiv?
Friedrich Pehle: Um die rasant zunehmende Volatilität im Stromnetz zu kompensieren, haben Anwender in einer ersten Investitionswelle versucht, die relative preiswerten Diesel-Notstromaggregate einfach länger laufen zu lassen. Diese naheliegende Idee hat sich aber sehr oft nicht bewährt, da sehr, sehr viele Notstromaggregate diesen spürbar höheren Belastungen nicht gewachsen waren, und weil diese Motoren sehr oft sehr durstig und schmutzig sind. Daher reift nun im Markt die Idee, die gut etablierten Dauerlauf-Motoren aus dem BHKW-Markt so weiterzuentwickeln, dass sie preislich in das Segment der Demand-Response-Aggregate passen – und gleichzeitig dem für die Bauteile extrem anspruchsvollen Betriebsmodus bei geringstmöglichen Emissionen standhalten. Und das ist uns gelungen! Denn Motorentwicklung und -optimierung im Kleinserienbereich ist eine unserer Kernkompetenzen, siehe unsere weltweite Technologieführerschaft im Bereich von Wasserstoff bei stationären Verbrennungsmotoren.
Wie sind denn Ihre Markteintrittspläne?
Friedrich Pehle: Wir kommen jetzt mit den ersten Nullserienmaschinen – vorerst nur für die USA – und werden im kommenden Jahr mit der vollen Vermarktung beginnen und dabei auf unser bewährtes Partnerkonzept setzten: In einer guten Kombination aus eigenen Vertriebsleuten vor Ort in den USA und aus Partnerunternehmen, die ihre Region und ihre Kundengruppe bestens kennen. Wir werden so eine zügige Marktdurchdringung erreichen. Wir sind ja schließlich schon seit mehr als zehn Jahren mit einer eigenen, durchaus großen Vertriebs- und Servicegesellschaft in den USA präsent.
INVESTOR-INFORMATIONEN | ||||||
©boersengefluester.de | ||||||
2G Energy | ||||||
WKN | ISIN | Rechtsform | Börsenwert | IPO | Einschätzung | Hauptsitz |
A0HL8N | DE000A0HL8N9 | AG | 403,65 Mio. € | 31.07.2007 | Kaufen |
Warum erweitert 2G sein Produktportfolio mit derart hohem Tempo? Sie sind mit einem Wasserstoffmotor gekommen, Sie launchen gerade diverse Großwärmepumpen und kommen nächstes Jahr mit dem Demand-Response-Aggregat. Haben Sie keine Angst, sich zu verzetteln?
Friedrich Pehle: Angst haben wir nicht, aber wir nehmen den Einwand sehr ernst. Das strategische Spannungsfeld ist wie folgt: Wir müssen uns weiter vom Heimatmarkt emanzipieren, denn wir wollen nicht von einem einzigen Gesetzgeber abhängig sein. Das heißt nicht, dass wir die Geschäfte in Deutschland reduzieren, ganz im Gegenteil. Mit der Großwärmepumpe machen wir ja gerade das passende Angebot zur kommenden kommunalen Wärmeplanung. Um weniger von Deutschland abhängig zu sein, wollen wir im Ausland ein attraktives Produktportfolio bieten. Dazu reicht es nicht, nur das, was in Deutschland schon immer gut lief, irgendwie auch für den Export aufzumöbeln.
Und wir reagieren mit unserem breiteren Produktportfolio auf die sich dynamisch verändernden Energiemärkte weltweit. Die wetter- und tagesgangabhängigen Eigenschaften der Erneuerbaren Energien und die genauso schleppenden wie notwendigen Anpassungen in der Versorgungsinfrastruktur eröffnen uns eben auch neue, attraktive Absatzchancen. 2G liefert heute Systemlösungen und Service für eine dezentrale, flexible, grund- und spitzenlastfähige Versorgung mit klimafreundlicher Elektrizität und Wärme. Das ist weit entfernt von den „grauen“ Dauerläufern früherer Jahre. Blockheizkraftwerke sind heute „grüne“ Teamplayer.
Und die Kehrseite des Spanungsfelds?
Friedrich Pehle: Die Kehrseite ist, die Komplexität darf uns nicht übermannen. Es gibt so viele gute Produktideen mit Marktpotenzial, die alle irgendwie mit der Energiewende zusammenhängen, und bei denen wir entweder das technologische Know-how haben oder den Kundenzugang oder die notwendige Serviceflotte oder oder. Aber: Wir suchen und entwickeln Produkte mit Potenzial und bei denen wir das nötige Know-how haben und den Marktzugang und den Service. Um uns nicht zu verzetteln, müssen diese Randbedingungen alle gleichzeitig – mehr oder minder – erfüllt sein. Dann lassen sich Produkte erfolgreich und nachhaltig entwickeln, zur Serienreife bringen und launchen, ohne die Organisation zu überfordern. Mit anderen Worten: Die halbe Milliarde, die wir eingangs diskutiert haben, schaffen wir gut aus eigener Kraft.
Das klingt gut. Vielen Dank für das Interview, Herr Pehle!
Friedrich Pehle wurde im Dezember 2017 als CFO in den Vorstand von 2G Energy berufen. Er ist verantwortlich für die Bereiche Finanzen, Investors Relations, Controlling und Personal. Vor seiner Tätigkeit bei 2G, war er mehr als 20 Jahre für verschiedene internationale Landmaschinenkonzerne und Energieunternehmen im In- und Ausland aktiv. Dabei war Friedrich Pehle (Jahrgang 1971) zumeist in verschiedenen Führungspositionen an der Nahtstelle zwischen Betriebswirtschaft und Technik tätig. In den Jahren 2009 bis 2013 war er CFO der an der Börse Oslo notierten Kverneland ASA und zuletzt Geschäftsführer Finanzen/Logistik/IT eines internationalen Zulieferers der Windenergiebranche.