Frankfurt putzt sich schon mal fein heraus. Grund: Am 3. Oktober 2015 finden in den Finanzmetropole die zentralen Feierlichkeiten zu „
25 Jahre Deutsche Einheit” statt. In der Innenstadt herrscht bereits jetzt – wenige Tage vor der Feier – Ausnahmezustand, und auch vor dem Haupteingang der
Deutschen-Bank-Zentrale in Frankfurt ist die Wiedervereinigung ein nicht zu übersehendes Thema. Anlass genug für boersengefluester.de, sich die 16 Bundesländer einmal mehr aus Kapitalmarktsicht vorzunehmen. Am großen Bild hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert. Von den gegenwärtig 499 von uns gecoverten Unternehmen mit rechtlichem Sitz in Deutschland stammen fast 45 Prozent aus Bayern oder Nordrhein-Westfalen (NRW). Dabei liefern sich die beiden Bundesländer ein Kopf-an-Kopf-Rennen: sowohl was die Zahl der börsennotierten Gesellschaften angeht als auch mit Blick auf die Präsenz in einem der Auswahlindizes DAX, MDAX, SDAX oder TecDAX. Momentan liegt Bayern (36 Index-Unternehmen) hier knapp vor NRW (34 Index-Unternehmen). Nur in Sachen Marktkapitalisierung sind die Bayern den Nordrhein-Westfalen mit 412,55 Mrd. Euro um mehr als 40 Mrd. Euro voraus. Deutschlands DAX-Hauptstadt bleibt mit sechs Vertretern dabei ganz klar München.
Allianz,
BMW,
Infineon,
Linde,
Münchener Rück und
Siemens haben ihren Sitz an der Isar. Es folgen im Städte-Ranking Frankfurt (
Deutschen Bank,
Deutsche Börse und
Commerzbank) und Düsseldorf (
E.ON,
Henkel,
Vonovia) mit jeweils drei DAX-Unternehmen.

Mächtig aufgeholt hat Berlin. Mittlerweile haben 49 der von boersengefluester.de regelmäßig analysierten Aktiengesellschaften ihren Sitz in der Hauptstadt. Tatsächlich sind es noch deutlich mehr. Aber Firmen wie
Deutsche Cannabis,
Janosch Film & Medien oder der
Zoologische Garten zählen nicht zu unserer Coverage. Dafür haben
Rocket Internet und
Zalando den Ruf von Berlin als Internethauptstadt gefestigt, zumal auch das Verlagshaus
Axel Springer den digitalen Wandel konsequent vorantreibt. Die Folge: Gegenwärtig türmt sich die Marktkapitalisierung der Berliner Firmen auf mehr als 25 Mrd. Euro – verglichen mit rund 20 Mrd. Euro vor rund einem Jahr. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Hauptstadtunternehmen auch in Sachen Ertragsstärke signifikant zugelegt haben und 2014 auf einen Überschuss von 519 Mio. Euro kamen. Trotzdem: Berliner Aktien werden gegenwärtig noch immer mit dem Faktor 48 auf die für 2014 ausgewiesenen Gewinne gehandelt. Da kommen andere Bundesländer auf wesentlich attraktivere KGVs. Zur Ehrenrettung sei aber gesagt, dass sich das 2016er-KGV der profitablen Berliner Unternehmen auf gut 20 ermäßigt.
Ansonsten bleibt es beim gewohnten Bild: Nach dem Wegfall vieler vorwiegend in Ostdeutschland angesiedelter Solarunternehmen haben im Prinzip nur noch Thüringen und Sachsen-Anhalt börsennotierte Aktiengesellschaften von größerem Kaliber zu bieten. Die wichtigsten sind
Carl Zeiss Meditec und
Jenoptik aus Thüringen. Ein Zwitter ist
Nordex. Der Windanlagenbauer hat seine Produktion zwar in Rostock an der Ostseeküste. Formal sitzt die TecDAX-Firma aber in Hamburg. Immerhin: Mit dem Greifswalder Bootsbauer
HanseYachts haben die Jungs von der Küste dann doch eine börsennotierte AG zu bieten. Genau wie Brandenburg bleibt Mecklenburg aber Finanz-Diaspora. Überraschend präsent auf der Kapitalkarte ist hingegen Bremen. Sieben gelistete AGs haben hier ihren Sitz, darunter so bekannte Firmen wie
CTS Eventim, der Raumfahrtspezialist
OHB oder
Energiekontor.
Was kaum einer weiß: Der Anteilschein von
Sachsenmilch, 1992 immerhin die erste Neuemission aus Ostdeutschland, ist mittlerweile richtig teuer. 5.100 Euro kostet die Aktie der mehrheitlich zur Unternehmensgruppe
Theo Müller gehörende Firma, deren Geschäftszweck heutzutage die Vermögensverwaltung für die Molkereien von Müller ist. Der Streubesitz ist allerdings winzig klein. Entsprechend sporadisch findet ein Börsenhandel statt. Eine Erfolgsstory war die Sachsenmilch-Aktie aber ohnehin nicht. Bereits 1994 mussten die Aktionäre einem Kapitalschnitt von sage und schreibe 750 zu 1 zustimmen. Und in wenigen Monaten läuft es wohl auf ein komplettes Delisting hinaus. Doch es gibt durchaus Titel aus Ostdeutschland, die ihren Aktionären Freude bereitet haben: Im laufenden Jahr sind das insbesondere der Biosprithersteller
Verbio, das Medizintechnikunternehmen
Geratherm und der Laser- und Messtechnikkonzern
Jenoptik. Letztlich ist es aber ohnehin so, dass niemand mehr auf dem Parkett zwischen Ost und West unterscheidet. Und so ist nach 25 Jahren Einheit Normalität eingekehrt – mit allen Strukturunterschieden zwischen den Bundesländern. Gefeiert werden darf aber natürlich trotzdem: und zwar nicht zu knapp.
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